Dr. G. Neumayer: Anemometer-Studien auf der Deutschen Seewarte.
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Archiv 1897. 4.
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Ein anderer, stärker beschwert als die übrigen, gerieth in die Mitte, wo er sich etwas auf und ab
bewegte und dann zur Decke aufstieg. Im übrigen war die Bewegung der Ballons, -wie oben beschrieben;
sie sammelten sich gleichfalls nach der SO-Seite hin, gingen aber bei dem Anhalten des Apparates nicht
zur Oeffnung hinaus.
An Stelle der bisher aufgestellten Anemometerstange wurde jetzt eine starke kreisförmige Metallscheibe
von 25 cm Radius auf dem Arm des Apparates angebracht. Die Rotationsrichtung blieb N-W-S-O; die
Geschwindigkeit war 12 m.
Die kleinen Wirbel an der Decke dauerten fort. Die Bewegung der aufsteigenden Ballons war wieder
schrauben- und wellenförmig, der Sammelpunkt war wieder an der SO-Seite des Oberlichtes. Ein nahe dem
Fussboden des Lichthofes sich befindender Ballon machte während 20 Umläufe des Apparates einen ganzen
Umlauf. Ein anderer etwas über der Scheibe schwebender Ballon machte während 25 Umläufe des Apparates
einen solchen, ein andres Mal dagegen nur 0.8 Umläufe.
Nach Abnahme der Druckscheibe wurde die Stange mit einem Recknagel-Anemometer wieder aufgesetzt;
die Rotationsrichtung blieb N-W-S-O, die Geschwindigkeit war anfangs 9 m, wobei die Ballons an der
Decke ziemlich ruhig blieben; ihre Bewegung wurde lebhafter, als die Geschwindigkeit auf etwa 12.5m ge
steigert wurde; dabei musste sich in der Mitte ein absteigender Strom gebildet haben, da ein Ballon langsam
bis zur Axe des Apparates niederging; von demselben getroffen, ging er nach aussen, um dann wieder auf
zusteigen. In der Höhe des Anemometers machte ein Ballon, ohne getroffen zu werden, einen Umlauf,
während der Apparat 26 vollführte. Das Oeffnen sämmtlicher Fenster, sowie das Oeffnen der Thüren der
an dem nordwestlichen Korridor befindlichen Zimmer brachte einen merklichen Einfluss auf die Bewegung
der Ballons nicht hervor.
Bei dem Anhalten des Apparates blieben die oben befindlichen Ballons ruhig, zogen auch nicht zur
Oeffnung hinaus. Bemerkt muss noch werden, dass nur die Ballons an der Siidost-Seite des Oberlichtes
sich lebhafter bewegten; einige an andern Stellen befindliche zeigten meist nur ein geringes Schwanken.
Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass die bei der Rotation des Apparates entstehenden Luft
bewegungen in der That sehr eigenthümlicher Natur sind. Man kann danach kaum aunehmen, dass die
rotirenden Lufttheilchen sich nur in einer horizontalen Ebene bewegen; denn die Ballons zeigten durchweg
eine Wellenbewegung, die ausserdem mehrfach ruckweise erfolgte; der Ballon stand mitunter fest. Dass
die Ballons vielfach langsam nach aussen trieben, ist leicht erklärlich; es fand diese radiale Bewegung aber
nur dann statt, wenn sie der Peripherie schon nahe waren. Auffallend ist, dass die Axe der Rotations
bewegung nicht mit der Vertikalaxe des Apparates zusammenfällt, sondern nach SO oben geneigt ist; es
ist diese Neigung möglicherweise durch die hier offene Seite des Lichthofes bedingt.
Von besonderer Wichtigkeit dürften die stets an der Decke beobachteten Wirbelbewegungen der Ballons
in horizontaler wie vertikaler Ebene sein. Danach dürfte es wohl doch nicht gerathen sein, die Anemo
meter bei der Prüfung der Decke zu nahe zu bringen, wenigstens sobald dieselbe nicht völlig eben ist.
Nimmt man an, dass die Ballons sich mit derselben Geschwindigkeit wie die rotirende Luft bewegten,
so betrug nach den zuverlässigsten Zählungen (ein Umlauf auf 25 und 26 Rotationen des Apparates) diese
Bewegung 4.0% resp. 3.8% der Geschwindigkeit des Apparates; der Mitwind wäre danach etwa 3.9%,
also kleiner als der mit dem Flügelanemometer gefundene Werth, der bei hohen Geschwindigkeiten nahe
gleich 5 % der Geschwindigkeit der Anemometeraxe gefunden wird und der vermuthlich auch noch zu hoch ist.
Es fragt sich nun noch, ob die Prüfung der Anemometer bei geringen Geschwindigkeiten durch die
dargelegten Verhältnisse, namentlich jenen in der Richtung N-W-S-O wirkenden Luftzug nicht beeinträch
tigt werden kann. Ein derartiger Einfluss hat sich allerdings bei den meisten Prüfungen gezeigt. Bei voll
kommen gleichförmiger Bewegung des Apparates (1.1 m per Sekunde), die von 10 zu 10 Umläufen ihrer
Zeitdauer nach kontrollirt wurde, brauchten drei Anemometer bei drei beobachteten Kontakt-Intervallen in
dem einen Intervall einen Umlauf mehr oder weniger als in den beiden andern. Bei einem solchen Umlauf
macht das Anemometer etwa 18 Rotationen. Es ist sehr wohl möglich, dass die bei starken Temperatur-
Differenzen und bei südwestlichen Winden besonders bei dem Oeffnen des Einganges zum Gebäude ent
stehenden Luftbewegungen einen Ueberschuss oder ein Fehlen von 18 Rotationen bedingen können.
Bei höheren Geschwindigkeiten jedoch werden diese Einflüsse unmerklich. Es geht dies namentlich
aus der Thatsache hervor, dass Prüfungen, die mit denselben Anemometern auf der Seewarte und im Zentral-