Dr. G. Neumayer: Anemometer-Studien auf der Deutschen Seewarte.
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der entsprechenden Werthe bei den Radien 3.893 m und 2.094 m betrug etwa 2%, so dass man schliessen
darf, dass bei einem genügend langen Radius (3.5—4 m) der Einfluss der Zentrifugalkraft verschwindet.
Doch würden weitere Untersuchungen über diesen Gegenstand immerhin wiinschenswerth sein.
Weit störender und schwieriger in Rechnung zu ziehen als die bisher betrachteten Einflüsse ist eine
andere Begleiterscheinung der Kreisbewegung, der sogenannte Mitwind. Der rotirende Apparat mit dem
Anemometer setzt bei anhaltender Drehung die umgebende Luft mit in Bewegung, so dass die relative
Windgeschwindigkeit in Bezug auf das Anemometer kleiner wird, als die direkt beobachtete Geschwindigkeit
seiner Axe. Zur Bestimmung der Mitwindgrösse sind von den verschiedenen Experimentatoren auf diesem
Gebiete sehr verschiedene Mittel in Anwendung gebracht, die aber alle noch zu keinem völlig befriedigenden
Resultat geführt haben, so dass die Bestimmung des Mitwindes der schwächste Theil der ganzen Methode ist.
Unter dem Worte „Mitwind“ haben wir die Geschwindigkeit jener Komponente des von dem rotirenden
System erregten Luftstromes zu verstehen, die in der Rotationsebene der Schalen liegt in dem Augenblicke,
wo sie auf Luft treffen, die während der vorhergehenden Rotation in Bewegung gesetzt worden ist. Während
einer Umdrehung wird jedoch die der Luft ertheilte Bewegung zum Theil durch Ueberwindung von Wider
ständen verbraucht; ihre Geschwindigkeit erleidet eine Verringerung, die annähernd der Dauer einer Rotation
des Apparates proportional sein wird. Ist seine Bewegung langsam, so kann die Luft zur Ruhe kommen und
das Anemometer trifft am Beginn der einzelnen Rotationen auf ruhende Luft. Bei grösseren Rotations-
Geschwindigkeiten dagegen trifft das Anemometer auf Luft, die noch einen gewissen Theil der Geschwindig
keit besitzt, die ihr während der vorhergehenden Rotation mitgetheilt ist. Bei hohen Geschwindigkeiten
wird eine periodische Variation der Luftbewegung wahrscheinlich unmerklich; bei geringeren dagegen kann
sehr wohl eine merkliche periodische Aenderung derselben existiren; der kleinste Werth, den die Geschwin
digkeit der Luft dann annimmt, ist der gesuchte, da er die Bewegung der Luft giebt in dem Momente, wo
sie von dem rotirenden Anemometer getroffen wird.
Aus diesen Darlegungen ergiebt sich, dass die Messungen des Mitwindes mit ii’gend einem fest auf
gestellten Apparate, z. B. einem Flügelanemometer, stets zu hohe Resultate geben werden, da man auf diese
Weise nie jenen Minimalwerth, sondern einen viel grösseren erhält, einen grösseren sogar, als den Mittel
werth; denn da die Trägheit der rotirenden Theile des Messapparates immer grösser ist, als die der Luft,
so wird ihre Bewegung weniger leicht durch Widerstände gehemmt, so dass sie sich am Ende einer Rotation
mit einer Geschwindigkeit bewegen, die grösser ist, als wie sie der durchschnittlichen Geschwindigkeit der
bewegten Luft entsprechen würde. Nur bei den höchsten Geschwindigkeiten wird das Resultat der Wahrheit
nahe kommen.
Diese von Cleveland Abbe’) gegebenen Darlegungen lassen sich kurz dahin zusammenfassen, dass
die Trägheit der rotirenden Theile des Messapparates in Verbindung mit der bei wachsender Rotations-
Geschwindigkeit abnehmenden Periodizität der Luftbewegung die gemessenen Werthe des Mitwindes ausser
bei sehr hohen Geschwindigkeiten stets zu gross geben wird.
Es giebt aber noch einen andern Umstand, der ebenfalls bei kleineren Geschwindigkeiten die gemes
senen Mitwindwerthe zu gross erscheinen lässt, und dessen Einfluss gleichfalls mit steigender Geschwindigkeit
abnimmt. Die die rotirende Masse berührenden Lufttheile werden von derselben mitgerissen und nehmen
in Folge dessen eine Geschwindigkeit an, die jedenfalls bedeutend grösser ist, als die der übrigen Luft
bewegung im Versuchsraum. Da ausserdem vor dem Arm des Apparates eine kleine Stauung, hinter dem
selben eine gewisse Verdünnung entstehen muss, so wird die Luft von den Seiten her in dies partielle
Vacuum hineinschiessen und sich hinter dem Anemometer ein Schweif stärker bewegter Luft ausbilden, der
bei der gewöhnlichen Aufstellung der Mitwind-Anemometer nahe über dem rotirenden dieselben bei jedem
Durchgang beeinflussen muss, wodurch deinen Ablesungen stets zu hoch werden, selbst wenn die Mitwind-
Anemometer gar keine Trägheit besässen. Die bei sehr hohen Geschwindigkeiten beobachteten Werthe
werden der Wahrheit wieder am nächsten kommen, weil dann das rotirende Anemometer bei jeder Um
drehung auf den bei der vorhergehenden Rotation erzeugten Schweif trifft, dessen Geschwindigkeit dann
nahezu den gesuchten Werth repräsentiren wird.
') Cleveland Abbe, Treatise on meteorological apparatus and methods. Annual report of the chief signal officer
for 1887. Appendix 4G. Washington, 18S8. 279.