Dr. G.- Neumayer: Anemometer-Studien auf der Deutschen Seewarte.
Zur Messung des Mitwindes, d. h. der Geschwindigkeit der durch die Rotation des Apparates erzeugten
Luftbewegung, dienen zwei Flügelanemometer Recknagel’scher Konstruktion. 1 ) die mittelst einer ohne
Abbildung nicht wohl zu beschreibenden elektromagnetischen Vorrichtung arretirt und losgelassen werden
können. Dieselben sind auf transportabeln Stativen angebracht, deren Höhen, in weiten Grenzen geändert
werden können. Wir kommen auf diese Instrumente sowie auf einige andere zum Rotationsapparat gehörige,
aber nicht direkt zur Anemometerprüfling dienende Apparate in späteren Abschnitten zurück und bemerken
nur noch, dass sich genaue Pläne und Abbildungen des Lichthofes mit dem Rotationsapparate in der im
Jahrgang VII, 1884 von „Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte“ gegebenen Beschreibung der Central
stelle in Hamburg linden, durch die das Vorhergehende am besten erläutert wird.
3. Bei der Prüfung eines Anemometers, sei es mit dem Rotationsapparate, sei es in irgend einer
andern Weise, handelt es sich immer darum, eine Relation zwischen der Windgeschwindigkeit und der Ge
schwindigkeit der Schalenzentren oder einer von dieser abhängigen Grösse, wie der Anzahl der Umdrehun
gen des Schalenkreuzes oder der Kontakte (bei elektrisch registrirenden Instrumenten) in der Zeiteinheit,
aufzufinden. Robinson war, wie wir gesehen haben, zu dem Resultat gekommen, dass die Windgeschwindig
keit einfach gleich der dreifachen Schalengeschwindigkeit zu setzen sei. Es hat sich indessen herausgestellt,
dass weder die Zahl 3 noch irgend ein anderer einzelner sogenannter „Anemometerfaktor“ jene Beziehung
mit genügender Genauigkeit darstellen kann, wenn das Intervall der berücksichtigten Geschwindigkeiten
nicht sehr klein ist. Da jedes Anemometer Reibungswiderstände zu überwinden hat, da ferner bei dem
Robinson’sehen Anemometer nur die Differenz des Winddruckes auf die konkaven und die konvexen Seiten
der Schalen wirksam ist, so ei'giebt sich, dass bei sehr schwachem Winde dieselbe nicht im Stande ist, das
Schalenkreuz in Bewegung zu setzen. In diesem Falle ist der „Anemometerfaktor“ — ©o. Bei etwas
stärkerem Winde rotiren die Schalen so langsam, dass derselbe immer noch bedeutend grösser als 3 ist.
Mit wachsender Windgeschwindigkeit nimmt er ab und wird für grosse Geschwindigkeiten kleiner als 3.
Man stellt deshalb jetzt die Abhängigkeit der Windgeschwindigkeit von der der Schalenzentren durch
eine empirische Gleichung dar, in welcher die Windgeschwindigkeit durch eine nach Potenzen der Schalen
geschwindigkeit fortschreitende Reihe ausgedrückt wird; das erste von der Schalengeschwindigkeit unabhän
gige Glied derselben stellt dann jene Windgeschwindigkeit vor, bei der das Schalenkreuz eben in Bewegung
gerätli; dasselbe wird kurz als die Reibungskonstante des Instrumentes bezeichnet.
Für die praktischen Zwecke der Anemometrie erscheint es vollkommen genügend, die Reihe mit dem
zweiten Gliede, das die erste Potenz der Schalengeschwindigkeit enthält, abzubrechen; die Hinzufügung eines
quadratischen Gliedes, dessen Koeffizient sich immer als sehr klein erwiesen hat, steigert die Genauigkeit
der Wiedergabe der Beobachtungen mit dem Rotationsapparate allerdings etwas; allein der Aufwand an
rechnerischer Arbeit wird dann so gross, dass man für gewöhnlich sich immer mit der linearen Gleichung
begnügen wird.
Ausserdem ist zu bemerken, dass die Anwendung eines quadratischen Ausdruckes nur bei vollkommen
gleichförmiger Windgeschwindigkeit zulässig ist, dagegen bei variabler Windstärke einen von der Art, wie
dieselbe sich ändert, abhängigen Fehler herbeiführt, dessen Grösse auch nicht annähernd geschätzt werden
kann. Man erkennt dies leicht aus folgender Betrachtung.
Während der Zeit T L + G+G + ••• • +4» wehe ein Wind, dessen Geschwindigkeit während der
einzelnen Zeiten t\, G .... t n die entsprechenden konstanten Werthe v\, v± ... v n hat; das Schalenkreuz
mache während dieser Zeiten resp. ?«i, h 2 • • ■ ■ u » Umdrehungen. Dann giebt eine quadratische Formel
folgende Werthe der einzelnen konstanten Geschwindigkeiten:
Recknagel, 'Wiedemann's Annalen. IV, 149. 1S7S.