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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1905 No. 2 —
verfahren, daß für die Schnittpunkte der geographischen Koordinaten von 5° zu 5° zwischen den entsprechenden
Kurven genau interpoliert wurde. Aus den gewonnenen Angaben wurde der Temperaturzuwachs Ai und die
äquivalente Temperatur AeT. berechnet (s. Anlage lila und IIIb) und in die Schnittpunkte des Gradnetzes
eingetragen. Diese waren die Punkte zur Konstruktion der Kurven.
Nach diesen Bemerkungen wollen wir uns der Besprechung der Januar-Karte (s. Karte lila) zuwenden.
Diese imitiert fast genau die winterliche Isothermenkarte, insbesondere ira Nordosten des Kontinents, wo
die Temperaturen zu der niedrigsten auf der Erdoberfläche herabsinken, wo daher der vorhandene Wasser
dampf praktisch gleich 0 ist. Sahen wir doch, daß selbst bei Sättigung für t = —45° nur 0.1 gr/kbm auf
genommen werden; die Luft über diesen Gegenden ist aber von Sättigung noch weit entfernt. An den
kältesten Punkten der Erde ist der Temperaturzuwachs praktisch gleich Null, die äquivalente Temperatur
wird gleich der Lufttemperatur. Diese Verhältnisse ändern sich zunächst nur wenig, wenn wir nach der
Peripherie weiter schreiten. Die Kurve von —30° entspricht der -31°-Isotherme und selbst die —20°- Kurve
äquivalenter Temperatur erhält nur einen Zuwachs von 2°. Je weiter wir uns von dem Kältezentrum hin
wegbewegen, um so näher rücken die Kurven äquivalenter Temperatur im Vergleich zu den Isothermen an
einander. Sie bewegen sich also dem Mittelpunkte zu; da die Feuchtigkeit am Bande eine höhere ist, so
ist die •—10°- Kurve im N, wo sie als Isotherme durch Petersburg geht, um mehr als 10° nach E gerückt.
Während diese Isotherme gerade noch den Kaspisee und den Aralsee sogar im Süden schneidet, liegt die
äquivalente Temperatur schon außerhalb der beiden Seen, wenn auch die Unterschiede im Kontinente bei
spärlichem Wassergehalt nicht mehr so bedeutend sind als im Norden; am Balkaschsee nehmen die Kurve
äquivalenter Temperatur und die Isotherme schon wieder dieselbe Lage ein. Selbst bei der 0°- Kurve ist
im Herzen Asiens, etwa unter </> = 40° N und Я — 80° E, die Uebereinstimmung der Lage beider Tempera
turen die gleiche. Es kommt hier in Ost-Turkestan (Tarimbecken), wie auch im Ausbiegen der äquivalenten
Temperaturen südlich vom Aralsee der Charakter der Wüste selbst im Winter stark zum Ausdruck. Der
Mangel an Wasserdampf (keine Schneeschicht!) und damit der gelinge- Temperaturzuwachs ist dafür ent
scheidend. Wir haben hier also eine relative Abkühlung gegenüber den Werten der Lufttemperatur und
damit auch ein geringes Abweichen der absoluten Werte beider Temperaturen. Erst westlich vom 80? E
zeigt die 0°-Kurve eine Steigerung und entfernt sich in nördlicher Richtung von der 0°- Isotherme. Dieser
Unterschied der Lage vergrößert sich weiterhin nach N und erreicht unter 50° N etwa 40°. Die Differenzen
werden größer, je höher die Temperaturen werden. Während die 15°-Isotherme den persischen Golf im
Norden schneidet, hat das Süd-Kaspische Meer schon die äquivalente Temperatur 15°, und unter t/ = 40°N
finden wir sie am Schwarzen Meer, während wir dieselbe Lufttemperatur erst inmitten des Atlantischen
Ozeans wieder haben (70° Differenz der Lage). Also es gilt im allgemeinen, daß vom Kältepol aus die
äquivalenten Temperaturen (d. h. die Wärme- resp. Energiemengen) rascher ansteigen als die Temperaturen,
daß diese Differenz besonders hervortritt in den peripheren Gebieten, aber stark abnimmt nach dem Innern
der Kontinente. Der Wasserdampf zieht sich also von den stark erkaltenden Landmassen {z. T. mit den
größtenteils ablandigen Winden) auf das wärmere Meer zurück, abgesehen, daß bei so niedrigen Tem
peraturen, wie schon mehrfach betont, an sich die Dampfspannung sehr niedrig ist. Seen, Flüsse, Sümpfe
werden wirkungslos in bezug auf den Temperaturzuwachs, da sie zufrieren. Nur da, wo sie offen bleiben,
wo die Verdunstung bei höherer Temperatur eine lebhaftere ist, wo der Wasserdampf sich anreichert, werden
Modifikationen des Verlaufes zu erwarten sein. Es werden positive Verschiebungen in der Wärmeverteilung
stattfinden, so über dem Kaspischen Meer (s. 5°-Kurve), dem Schwarzen Meer (s. 10°-Kurve). Ueber der
nördlicheren Ostsee können wir ein ähnliches Verhalten nicht beobachten, da sich hier bei der absolut
niedrigen Temperatur, auch wenn die Isothermen in ihrem Verlaufe relativ gegenüber Skandinavien und dem
Kontinent eine Temperaturerhöhung verraten, keine Verstärkung der Abweichungen im positiven Sinne zeigt.
Aehnliclies gilt für das Ochotskische Meer. Zum Teil mag hier auch noch die Eisbedeckung eine Bolle
spielen. — Trotzdem zeigen sämtliche große offene und umschlossene Wasserflächen, genau wie die Iso
thermen, absolut eine Erwärmung an. Umgekehrt sehen wir wieder in die großen Landflächen hinein sich
Zungen starker Abkühlung erstrecken, die sich gleichfalls im Verlauf der Isothermen wiederspiegeln. Solche
Ausbiegungen der Kurven äquivalenter Temperatur schieben sich nach Skandinavien (0°- Kurve), nach Europa,
das ja in Wahrheit nur eine Halbinsel Asiens bildet (0°‘—10°-Kurve), nach dem Kaukasischen Gebiet zwischen
Schwarzem und Kaspischen Meer, nach der Tschutschkenhalbinsel und der Amurküstenprovinz. Nur sind
die Zungen der Kurven äquivalenter Temperatur besser ausgeprägt als die der Temperatur, da ja hier wieder