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Aus dem Archiv- der Deutschen Seewarte. — 1924, Heft 1.
aus M 4 — O t statt aus M, + Kj hervorgehend annimmt, so gering ist die Wahrscheinlichkeit, daß
die aus M 4 — K 4 entstehende Tide die aus M 2 -f O x zusammengesetzte an Größe übertrifft. Der
Darwinschen 2MK 3 -Tide hätte also die Bezeichnung M0 3 mit dem Argument Arg. M 2 Arg. O t
und dem Faktor /mo 3 = /m 2 • /o, gegeben werden müssen.
Aus den vorstehenden Betrachtungen folgt, daß von den Ergebnissen eines Jahres für die
Vorausberechnung zukünftiger Jahre so lange kein Gebrauch mit Erfolg gemacht werden kann, bis
nicht die Gesetze bekannt sind, nach denen es möglich ist, die Verbundtiden nach ihrem Ursprung
in ihre Einzelteile aufzulösen. Bis zu einer restlosen Erforschung dieser Gesetze wird es sich
empfehlen, das Darwin-Börgensche Verfahren der Verwendung der Argumentsverbesserungen tt, und
der Faktoren / x zu verlassen, mehrere Jahrgänge von Beobachtungen der Berechnung zu unter
werfen und zu versuchen, die Veränderungen der Grundtiden und der Seichtwassertiden als von
der Neigung der Mondbahn gegen den Äquator oder als von der Länge des aufsteigenden Mond
knotens abhängig rein rechnerisch zu ermitteln. Die notwendigen Formeln werden in einem späteren
Abschnitt entwickelt werden.
II. Abschnitt.
1. Grundgedanke des entwickelten Verfahrens.
Bevor ich nun zur Aufstellung der Formeln übergehe, will ich den Grundgedanken des Börgen-
Hessenschen Verfahrens und die notwendigen Abänderungen dieses Verfahrens nochmals zusammen
hängend und ausführlicher erläutern, damit die einzelnen Schritte bei den Formelentwicklungen
leichter übersehen werden können.
Borgen setzt wie Darwin bei seinem Verfahren voraus, daß zur Ableitung der harmonischen
Konstanten eines Ortes möglichst lückenlose, stündliche Wass'erstandsablesungen mindestens eines
Jahres — genauer von 370 Tagen — vorhanden sind. Hessen verwendet zur Ermittlung einzelner
Tiden die Beobachtungen von fast dreizehn Monaten. Hier soll angenommen werden, daß Wasser
stände, die zu den vollen Stunden nach mittlerer Sonnenzeit abgelesen sind, von 384 aufeinander
folgenden Tagen vorliegen. Die Wasserstände seien in einem „ Wasserstandsverzeichnis“ eingetragen,
das 24 senkrechte Spalten für jede einzelne Tagesstunde von 0 ft bis 23 /l , beginnend mit Mitternacht
des ersten Tages, und soviel Zeilen, mit l 1 ) beginnend, enthält, als Beobachtungstage vorliegen.
Aus diesem Wasserstandsverzeichnis wird noch eine zweite Zusammenstellung, das bereits erwähnte
„Summenverzeichnis“ gebildet, das genau so wie das erste eingerichtet ist. Statt der Wasserstands
ablesungen enthält es jedoch die Summen der an n aufeinanderfolgenden Tagen beobachteten Wasser
stände, die zu den gleichen Tagesstunden abgelesen sind; so erscheint in Zeile 1 des Summen
verzeichnisses Zeile 1 des Wasserstandsverzeichnisses wieder, in Zeile 2 treten die 24 Summen der
zu den gleichen Tageszeiten beobachteten Wasserstände aus den Zeilen 1 und 2 auf, in Zeile 3 die
Summen aus den Zeilen 1, 2, 3 usw.
Im folgenden seien unter Sonnentiden die mit dem Merkzeichen S verstanden, deren Klasse
(p) — p = 1: eintägige, p = 2: halbtägige, p = 3: dritteltägige usw. Tiden — wie bei allen übrigen
Tiden durch die dem Tidenzeichen beigesetzte Merkzahl angegeben werden soll. Da diese Sonnen
tiden an einem mittleren Sonnentage alle Phasen je nach ihrer Klasse einmal oder mehrmals durch
laufen, so daß sich diese Tiden an jedem Tage zu der gleichen Stunde immer wieder in derselben
Phase befinden, wiederholt sich auch der Einfluß der Sonnentiden an jedem Tage in gleicher Weise.
Daher enthalten die in einer Zeile stehenden Summen nach n Tagen auch den w-fachen Einfluß der
Sonnentiden. Jede der 24 Summen der Wasserstäride nach n Tagen enthält außerdem noch die
s ) Borgen und Hessen bezeichnen wie Darwin die erste Zeile mit 0, die zweite mit 1 usw.