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Zweifel nur noch eine Frage der Zeit, dass diese zu einer losen Korallen-Saud-
spitze zerbröckeln werden, welche das nächste Stadium ihrer völligen Zerstörung
ist. Die meisten Riffe rund um Zanzibar befinden sich bereits in diesem Zu-
stande. Das letzte Stadium ist das eines abgeflachten Korallenriffes, wie z. B.
das Grundriff an der Ost- oder Seeseite von der Insel Zanzibar, auf welchem
diese selbst aufruht. Dieses ist auch bei Niedrigwasser Springzeit vollständig
unter Wasser. Diesen Zustand können aber die Riffe im Kanal nie erreichen,
weil die Anspülungen von den verschiedenen Theilen der Kanten des Riffes das
Fortführen des Sandes verhindern.
Als ein Beispiel für die ziemlich rasch erfolgende Veränderung in dem
Zustande solcher kleinen Inseln auf einem Korallenriffe kann die Zree-Insel an-
geführt werden, welche auf den Karten zu Anfang dieses Jahrhunderts in SW
von der Stadt Zanzibar verzeichnet war. Als Capitain Owen i. J, 1822 Zan-
zibar besuchte, war sie schon verschwunden und an ihrer Stelle sah er zwei
weisse Sandspitzen. Im Jahre 1874 wurde auf diesem Riffe, das dort Nyange-
Riff heisst (s. S. 262) keine Spur davon bemerkt, obgleich eine andere Sand-
spitze an dem nördlichen oder Lee-Ende des Riffes, welche auch schon zu
Owen’s Zeit sichtbar war, sich in demselben Zustande crhalten hat.
Auch auf der Insel Zanzibar giebt es einige eigenthümlich vereinzelte Hügel,
welche an ihren vom Wasser ausgehöhlien Seiten zeigen, dass die Insel während
der Zeit ihrer Erhebung bleibend in einem niedrigen Niveau sich erhielt und
dass eine ähnliche Wirkung des Wassers wie die oben beschriebene bei ihr statt-
fand. Andererseits scheinen an mehreren Stellen neue Korallenriffe emporzu-
wachsen, aber die Vermessung des Capitain Owen war zu rasch und ungenau
ausgeführt, als dass man eine genügende Vergleichung der gemessenen Tiefen
anstellen konnte.
Dio Insel Zanzibar selbst erhebt sich auch nur wenig über dem Meeres-
spiegel; nur eine kleine Hügelkette, welche das Innere von Norden nach Süden
durchzieht, überragt das sanft ansteigende Land um 30-—60 Met. Die bedeutendste
Bodenerhebung bildet der einzeln stehende Kegelberg Kumkene (oder Kumbini)
im SW auf einem Vorgebirge der Insel gelegen.
Da wo der festere Korallenkalk nicht zu Tage tritt, ist er mit einer Schicht
fruchtbarer Erde bedeckt; diese ist zum Theile ein rother Lehm, auf welchem
die Erzeugnisse der Troponwelt in grösster Ueppigkeit gedeihen, und an
manchen Stellen eine graue, thonhaltige, lockere und sandige Erde, auf welcher
auch noch Kokospalmen, Affenbrodbäume und andere tropische Pflanzen ge-
deihen; aber doch ist ein Drittel der Insel ein trockenes Steinfeld und durch-
aus unfruchtbar, Die Pflanzendecke der Insel ähnelt sehr der des naheliegenden
Festlandes, ist jedoch weniger ursprünglich als diese, weil auch Ostindien an
ihm Theil hat, von wo die wichtigsten der hier angebauten Pflanzen herstammen
und eingeführt worden sind. — ”
Unter den Handelsgewächsen Zanzibar'’s nehmen der Gewürznelkenbaum
and die Kokospalmen die erste Stelle ein. Nelkenpflanzungen bedecken einen
grossen Theil des bebaubaren Landes und bringen jährlich über !/2z Million
Pfund der besten Näglein hervor; ihr Duft erfüllt meilenweit die Luft und an ihm
erkennt der Schiffer die Insel schon lange, bevor sie sichtbar ist. Der Gewürz-
nelkenbaum ist in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts auf Zanzibar und
Pemba durch die Araber zuerst eingeführt worden; er gedieh prächtig und sein
einen grösseren Gewinn abwerfender Anbau verdrängte bald einen grossen
Theil der einheimischen Pflanzen, so auch zum Theil die Kokospalmen, welche
sonst die Hauptproducte des Handels von Zanzibar und für die Lebensbedürf-
nisse der Einwohner von Zanzibar liefern. Aus diesen Gründen war daher der
grosse Orkan im März 1872 (bis zu diesem Jahre waren die Orkane auf Zan-
zibar gänzlich unbekannt geblieben) von den traurigsten Folgen für die Insel
und ihre Bewohner, indem er von Nordosten her wehend die ganze Insel mit
Ausnahme des Südendes verheerend durchstreifte; die schönen Wälder von Ge-
würznelkenbäumen, welche den englischen Markt grösstentheils mit Näglein ver-
sorgten, waren bis auf 2 oder 3 Stämme völlig ‚vernichtet, und vier Fünftel
aller Kokosnussbäume lagen da, wo der Sturm über sie hinweggefegt war, auf
dem Boden. Der angerichtete Schaden war ungeheuer gross und kann erst nach
mehreren Jahren ersetzt werden.