2 Atmosphärenphysik
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System Nordsee
2.5 Nordseewind
Der >Nordseewind< ist nichts Anderes als der im Rahmen der Klassifizierung der täg
lichen Wetterlagen berechnete geostrophische Wind an der Position 5° E, 55° N, der
für das Gebiet zwischen 0°- 10° E und 50°-60° N repräsentativ ist (vgl. Abb.2-3,
S. 42). Um einen Eindruck von der zwischenjährlichen Variabilität der Windverhältnisse
zu geben, wird hier zunächst ein Vergleich des saisonalen Nordseewindes für die Jah
re 2004 und 2005 geboten. Anschließend wird die zeitliche Entwicklung des vektoriel
len Nordseewindes anhand von virtuellen Trajektorien diskutiert. Im letzten Abschnitt
wird eine Auswertung der Sturmhäufigkeit im Nordseeraum präsentiert.
2.5.1 Saisonale Vektorwinde
Abb.2-12 zeigt saisonale Wahrscheinlichkeitsellipsen des täglichen vektoriellen Nord
seewindes für die Jahre 2004 und 2005, die unter der Annahme einer bivariaten Gauß
verteilung konstruiert wurden. Für eine detaillierte Beschreibung des statistischen Ver
fahrens wird auf Loewe et al. (2005) verwiesen.
Im Zentrum der Ellipsen und in Richtung der großen Halbachse ist die jeweilige Jah
reszeit angegeben (1 = JFM = Winter, 2 = AMJ = Frühling, etc.). Der aus täglichen u-
und v-Komponenten bestimmte mittlere Vektorwind ist vom Ellipsenzentrum zum Ur
sprung (0,0) gerichtet. Die Orientierung der Hauptachsen ist durch die Richtungen sta
tistisch unabhängiger (unkorrelierter) Windkomponenten festgelegt. Die Länge der El
lipsenhalbachsen beträgt 1.1774 Standardabweichungen dieser Windkomponenten,
so dass theoretisch 50 % der täglichen Winde aus dem Ellipsengebiet zum Ursprung
wehen. Die horizontalen und vertikalen Mittelpunktabstände zum Ellipsenrand ent
sprechen 1.1774 Standardabweichungen der zonalen (u) und meridionalen (v) Wind
komponenten. Winde außerhalb der Ellipsen sind durch Kreuze gekennzeichnet und
lassen sich über die Farbe den Jahreszeiten zuordnen. Zur Unterstützung der nach
folgenden Diskussion wurden einige statistische Kenngrößen des Nordseewindes in
Tab. 2-4, S. 60 zusammengestellt.
Die exzentrische Lage der Windellipsen im 2. und 3. Quadranten (Abb.2-12) verdeut
licht, was bereits im Rahmen der Verteilung der Zirkulationszustände (Abb. 2-4, S. 43)
angesprochen wurde: die Nordsee befindet sich in der Breitenzone ostwärts wandern
der Wellen und Wirbel. Diese bedingen eine Vorherrschaft von Winden aus der west
lichen Hemisphäre, wie relative Häufigkeiten von 72 % (2004 & 2005) belegen. Die
Vektorwindgeschwindigkeiten (V) sind von der zonalen Windkomponente (u) dominiert
(Tab. 2-4), während die meridionalen Windkomponenten dazu neigen, sich im Mittel zu
kompensieren (v « u). Die Richtungsvariabilität hat dabei zur Folge, dass die saiso
nalen bzw. jährlichen Vektorwindstärken (V) deutlich geringer als entsprechende Mit
telwerte des Windbetrags (Vel) ausfallen. Die Richtungsstabilität oder Persistenz (V/
Vel) liegt in der Größenordnung von 50 % und ist gewöhnlich im Frühjahr am gerings
ten (Tab. 2-4), wenn auch der 1. (NE) und 4. (SE) Quadrant eine relativ hohe Zustands
dichte aufweisen (Abb.2-12).
Die Zustandsdichte im NW-Quadranten ist übers Jahr von 39 % (2004) auf 36 % ge
fallen und lag damit gleichauf mit derjenigen im SW-Quadranten. Während der NW-
Quadrant gewöhnlich im Herbst und Winter erheblich geringer und in den verbleiben
den Jahreszeiten etwa gleichstark besetzt ist wie der SW-Quadrant, ergaben sich im
Jahr 2005 für alle Jahreszeiten um 2 - 6 Punkte höhere Besetzungsdichten von 34 -