System Nordsee
231
4.5 Radioaktive Stoffe
<•> H. Nies, P. Loewe&J. Herrmann
4.5.1 Einführung ... 231
4.5.2 Quellen künstlicher Radionuklide ...233
4.5.3 Cäsium-137 und Strontium-90 ... 235
4.5.4 Transurane ... 236
4.5.5 Zusammenfassung ... 238
4.5.1 Einführung
Im Salz des Meeres sind alle chemischen Elemente und damit auch natürliche Radi
onuklide enthalten, die primordialen oder kosmogenen Ursprungs sind. Zu den kos-
mogenen Radionukliden, welche durch die kosmische Höhenstrahlung ständig nach
gebildet und über die Atmosphäre ins Meer eingetragen werden, gehören Tritium, 14 C,
7 Be und 32 Si. Die primordialen Isotope sind mit dem Weltall entstanden und aufgrund
ihrer extrem langen Halbwertszeiten noch nicht zerfallen. Zu diesen zählen die Uran-
Isotope 235 und 238 und 232 Th mit den intermediären Produkten der zugehörigen drei
natürlichen Zerfallsreihen, sowie 87 Rb und 40 K. Uran liegt im Meerwasser in relativ ho
her Konzentration von etwa 3.3 ¡ig/L vor, während 40 K im Meersalz hoch konzentriert
ist und die Volumenaktivität des Meerwassers dominiert. Das hinsichtlich der Strahle
nexposition des Menschen relevanteste Isotop ist der alpha-Strahler 210 Po (aus der
Zerfallsreihe des 238 Uran), weil es in manchen Meeresorganismen stark angereichert
wird. In Tab. 4-8 sind für eine Reihe natürlicher Radionuklide neben den Halbwertszei
ten typische Hintergrundaktivitäten in Meerwasser und Sediment angegeben.
Die von natürlichen Radionukliden ausgehende ionisierende Strahlung gehört zu den
Rahmenbedingungen, unter denen Leben entstanden ist und fortbesteht. Im Rahmen
der atmosphärischen Kernwaffenversuche der 1950er und 1960er Jahre wurden je
doch erhebliche Mengen künstlicher Radionuklide freigesetzt, die als radioaktiver Nie
derschlag (Fallout) zu einer noch heute messbaren globalen Kontamination führten.
Auch die industrielle Nutzung der Kernenergie war und ist mit einer zusätzlichen Be
lastung der Umwelt - und damit auch der Meeresumwelt - durch künstliche Radioiso
tope verbunden. Alle der weit über 2000 verschiedenen künstlich erzeugten Kerne, die
nicht in der Natur Vorkommen, sind radioaktiv. Zu jedem Element ist heute mindestens
ein radioaktives Isotop bekannt. Der Umstand, dass sich diese Isotope chemisch prak
tisch nicht von den stabilen (nicht radioaktiven) Isotopen des jeweiligen Elements un
terscheiden, begünstigt die Anreicherung bestimmter Radionuklide in der Nahrungs
kette.
Das Nuklid 99 Tc (Halbwertszeit 210 000 Jahre) reichert sich beispielsweise mit einem
Faktor > 10 5 (gegenüber der Volumenaktivität im Meerwasser) in Braunalgen, wie Bla-