4.3 Organische Stoffe
System Nordsee
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Pflichtstoffe werden im Rahmen von Sonderuntersuchungen ein gezieltes Screening
auf prioritäre Stoffe (Target-Screening) und ein umfassendes allgemeines Screening
auf neue unbekannte Stoffe (Non-Target-Screening) durchgeführt; auf diese Weise
können neue Umweltgefahren erkannt werden. Das BSH führt ferner bei schweren
Unfällen (Sandoz-Unfall, Apron Plus) oder ungewöhnlichen natürlichen Ereignissen
(Jahrhunderthochwasser der Elbe im August 2002) Sonderuntersuchungen durch, um
die Öffentlichkeit zu aktuellen Fragestellungen zu informieren. Derartige ereignisbezo
gene Untersuchungen standen im Berichtsjahr nicht an. Im August 2005 wurde jedoch
als Sonderprogramm die Schadstoffbelastung der gesamten Nordsee (einschließlich
des Englischen Kanals) untersucht.
Nachfolgend werden die aus den Schadstoffbeprobungen gewonnen Ergebnisse do
kumentiert und mit denen früherer Jahre verglichen, um Entwicklungstendenzen auf
zuzeigen. Ferner liefern Strukturen und Muster in räumlichen Schadstoffverteilungen
Hinweise auf Eintragsquellen sowie zu Ausbreitung und Verbleib solcher Stoffe im
Meer. Die Unterteilung des Kapitels orientiert sich an Schadstoffgruppen, die hinsicht
lich Meerwasserbelastung und Sedimentkontamination weiter untergliedert bzw. be
handelt werden.
4.3.2 Hexachlorcyclohexan-Isomere
Die HCH-Isomere wurden über Jahrzehnte in großen Mengen in die Umwelt eingetra
gen, so dass auch im Meer eine ubiquitäre Grundbelastung beobachtet wird. Aufgrund
ihrer relativ polaren Eigenschaften (log Kqw Werte 1 von 3.6 bis 3.9) liegen die HCH
hauptsächlich in der Wasserphase vor und verhalten sich relativ konservativ. Nur ein
Tafel 4-2: HCH-Isomere
Hexachlorcyclohexan (HCH) wird seit 1950 weltweit in großen Mengen als Insektizid eingesetzt. Ursprüng
lich wurde ein technisches HCH-Gemlsch verwendet, das aus verschiedenen HCH-Isomeren besteht (a-HCH:
ca. 65 - 70 %, ß-HCH: ca. 7-20 %, y-HCH: ca. 15 %, 5-HCH: ca. 6 - 10 %, e-HCH: ca. 1 - 2 %). Als Insektizid wirk
sam ist lediglich das y-lsomer Lindan. Seit Mitte der 1970er Jahre besteht in den meisten europäischen Län
dern ein Anwendungsverbot für das technische Gemisch. In den Industrieländern wird inzwischen nur das
reine y-lsomer (Lindan) verwendet, während In einigen Entwicklungsländern weiterhin auch technisches
HCH hergestellt und eingesetzt wird.
a-HCH ß-HCH Y-HCH
7. Der K ow -Wert ist der Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient eines Stoffes, der sich aus der Verteilung der
Substanz zwischen den Phasen Wasser (polar) und Octanol (unpolar, llpophll) ergibt. Diese Gleichgewichtskon
stante Ist ein Maß für die Polarität des Stoffes. Da die K ow -Werte der verschiedenen organischen Substanzen über
einen großen Bereich variieren können, wird i. A. der Logarithmus angegeben (log K ow ). Der log K ow -Wert variiert
meist zwischen 1 und 8, wobei eine Verbindung um so unpolarer Ist, je größer der Wert. Substanzen mit einem log
Kow-Wert > 4 gelten als lipophil und zeigen eine hohe Affinität zu festen Phasen (Schwebstoffe, Sedimente) sowie
eine hohe Tendenz zur Bioakkumulation.