3 Meeresphysik
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System Nordsee
Bei der zufälligen Beobachtung einer harmonisch oszillierenden Größe x (z. B. Aus
lenkung eines idealen Pendels), wird man extreme Auslenkungen in der Nähe der Um
kehrpunkte (x = ± A, Amplitude), in denen die Geschwindigkeit (Ax/At) 0 wird, wesent
lich häufiger antreffen als solche in der Umgebung des Nulldurchgangs (x = 0), der mit
maximaler Geschwindigkeit durchlaufen wird. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im
Bereich Ax ist offenbar proportional zur Zeit At, den der Oszillator in diesem Intervall
verbringt.
Es lässt sich zeigen, dass ein harmonischer Oszillator eine u-förmige, zweigipflige
Wahrscheinlichkeitsdichte (probability density function) hat. Diese ist an den Grenzen
± A nicht definiert (± °°) aber integrabel, ist durch Mittelwert p = 0 und Standardabwei
chung g = A sin(7t/4) = A/V2 = 0.7A gekennzeichnet und hat als Stammfunktion die
Arcussinusverteilung (cumulative distribution function). Abb. 3-33 illustriert die Zusam
menhänge für die amplitudennormierte Zufallsvariable z = x/A.
z=x/A
Abb. 3-33: Wahrscheinlichkeitsdichte- (f) und kumulative Verteilungsfunktion (F) für die ampli
tudennormierte Auslenkung (z = x/A) eines harmonischen Oszillators. Die Wahrscheinlich
keit Pr(Z < z), den Oszillator in Zuständen Z<z anzutreffen, ergibt sich als Fläche unter f(z)
im Intervall [- 1,Z], Zustände innerhalb und jenseits ± 7 g sind gleichwahrscheinlich (50 %).
Fig. 3-33: Probability density function (f) and cumulative distribution function (F) for the nor-
malized excursion (z = x/amplitude) ofa harmonic oscillator. The probability Pr(Z < z) to
observe the oscillator in States Z<zis given by thè area under f(z) in the interval [- 1,Z], Sta
tes within and beyond ± 7 g (standard deviation) are eguallylikely (50 %).
Die schwanzlastige (heavy-tailed) Natur der Arcussinusverteilung steht in scharfem
Kontrast zur Gaußverteilung. So liegt etwa die Wahrscheinlichkeit Pr(IZI > g) mit 1/2
um 50 % über dem gaußschen Vergleichswert (ca. 1/3). Die übliche (gaußsche) Vor
stellung, dass mittelwertsnahe Zustände am wahrscheinlichsten und darum »normal«
sind, ist offensichtlich für Variablen, die starken zyklischen Schwankungen unterlie
gen, nicht sachgerecht. Tatsächlich ist in solchen Fällen der »Normalzustand« kaum
besetzt, der unwahrscheinlichste Zustand, die Ausnahme. Starke Abweichungen vom
Mittelwert - die vermeintlichen sog. »Anomalien« - sind hingegen durchaus nicht un
gewöhnlich sondern normal.
Die trendfreien Oszillationen des Salzgehalts im FIC im Periodenbereich von 6-9
Jahren enthalten das dominante Signal der Zeitreihe und lassen sich mittels einer pri
mitiven Bandpassfilterung hervorheben (Abb. 3-34). Aufgrund der Arcussinusverteilung