3.6 Salzgehalt
System Nordsee
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'80er und '90er Jahren mit der großräumigen Zirkulation des zyklonalen >Subpolaren
Wirbels« den nördlichen Nordatlantik »durchwanderten« (Schmitt 1996, Belkin etal.
1998, Sundby und Drinkwater 2007). Das stärkste dieser Salzgehaltssignale - die
GSA '70 - erreichte die nördliche Nordsee 1977 und leitete eine bis 1988 andauernde
Phase geringer Salzgehalte ein, die mit dem borealen Temperaturregime zusammen
fiel (vgl. Abb. 3-23, S. 122). Seither oszillierte der Salzgehalt um ein gegenüber dem
Langzeitmittel etwas erhöhtes und - wie dem horizontalen Verlauf des Ultratiefpassfil
ters (LP18) in Abb. 3-32 zu entnehmen ist - ziemlich stabiles Niveau.
Abb. 3-32: Salzgehalt im >Fair Isle CurrenU (0- 100 m). Strichliert: »Jahresmittel« mit Anzahl
Proben (Kreis); Blau/Rot: 5-/18-Punkt gaußscher Tiefpassfilter. Rechte Skala: Standardisier
te Anomalien der Roh-Jahresmittel für Basisperiode 1971 -2000. Rohdaten: S. Hughes, Fis
heries Research Services, Aberdeen, UK.
Fig. 3-32: Salinity in the >Fair Isle CurrenU (0- 100 m). Stippled: Annual composites and sample
size (circle); Blue/Red: 5-/l8-point Gaussian low-pass filter. Right scale: standardized de
partures of raw annual composites from 1971 - 2000 base period mean. Raw data courte
sy S. Hughes, Fisheries Research Services, Aberdeen, UK.
Die seit 2002 andauernde Phase hoher Salzgehalte schlug sich bis 2005 in einer Ver
dreifachung der relativen Flächenausdehnung atlantischen Bodenwassers in der
Nordsee nieder (vgl. Tab. 3-9, S. 136). Im Verlauf des Jahres 2006 wechselte der Salz
gehaltszyklus in seine negative Phase und erreichte im Dezember mit 34.7 einen Zu
stand, der um etwa 1.4 g unter dem Langzeitmittel lag. Die Ausdehnung atlantischen
Bodenwassers in der Nordsee war erwartungsgemäß rückläufig. Die für das Hauptein
stromgebiet von Atlantikwasser repräsentativen Salzgehalte im FIC könnten sich zur
Abschätzung historischer Salzgehaltsbedingungen in der Nordsee eignen.
Die relativ lange Verweildauer in extremen Schwingungszuständen und anschließen
de schnelle Wechsel zu entgegengesetzen Zuständen sind keineswegs ungewöhn
lich, sondern wesentliche Merkmale eines Oszillators. Im folgenden statistischen Ex
kurs wird insbesondere gezeigt, dass starke Abweichungen vom Mittelwert (Anomali
en) für Prozesse mit Schwingungscharakter normal sind, und dass demzufolge die
üblicherweise mit dem Begriff »Anomalie« verbundenen Assoziationen von Ungewöhn
lichkeit und Seltenheit in die Irre führen.