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Officielle
Anzeige.
ANZEIGE,
betreffend
ein im allgemeinen Interesse der Seefahrt unter dem Namen
NORDDEUTSCHE SEEWARTE
zu errichtendes nautisch-meteorologisches Institut.
Vor nunmehr 2.J Jahren machte in den Vereinigten Staaten unter der
Leitung des Lieutenants Maury ein öffentliches Institut den Anfang, neben den
allgemeinen Zwecken wissenschaftlicher Meteorologie, durch Bearbeitung der von
Schiffsführern aller Nationen nach einem bestimmten System geführten Journale
Anweisungen zu verfassen, um die oeeanischen Reisen zu sichern und abzukürzen.
Seitdem haben die Regierungen der Niederlande, Grossbritanniens und Frank
reichs Anstalten errichtet, welche ein gleiches Ziel verfolgen. In Utrecht,
London und Paris bestehen jetzt nautisch-meteorologische Institute, welche im
allgemeinen Interesse der Seefahrt das von Maury begonnene Werk fortsetzen
und in erfreulich gemeinnütziger Weise, wissenschaftlich wie praktisch, weiter
auszubilden bemüht sind. Deutschland, dessen Handelsmarine gegenwärtig
in der Welt die dritte Stelle einnimmi, hat an diesen Bestrebungen bisher nur
ganz untergeordnet und zeitweilig sich betheiligt, indem eine Anzahl von deutschen
Capitainen auf einzelnen Fahrten geführte meteorologische Journale als Material
an das National Observatory in Washington eiugesandt sind. Es erscheint
jedoch nicht minder durch die Wichtigkeit der Sache an sich, als durch die
Rücksicht auf Deutschlands maritime wie wissenschaftliche Stellung geboten,
dass wir auch hierin nicht länger hinter anderen Nationen weit Zurückbleiben,
und ihnen allein das Verdienst und den Ruhm überlassen, die nautische Meteo
rologie zeitgemäss auszubilden.
Allerdings wäre es das einfachste und bequemste Auskunftsmittel, an die
Norddeutsche Bundesgewalt das Gesuch zu richten, nach den Vorgängen in den
Vereinigten Staaten, den Niederlanden, Grossbritannien und Frankreich die Sache
in die Hand zu nehmen. Allein man wird hei unbefangener Würdigung der
Verhältnisse nicht verkennen, wie gegenwärtig und in nächster Zeit die Regierungs-
kreisc in Berlin durch viele andere Angelegenheiten der dringlichsten Art schon
so sehr in Anspruch genommen sind, als dass zu erwarten wäre, den hier in
Rede stehenden Gegenstand sofort ohne alle Vorbereitung in zweckentsprechender
Weise direct von ihnen gefördert zu sehen. Mit der Einrichtung eines deutschen
nautischen Instituts aber noch länger zu warten, erscheint unstatthaft, wenn man
auf den gegenwärtigen Stand der Untersuchungen und die Thätigkeit der Institute
in Utrecht und London den Blick wirft. Und ebenso einleuchtend ist cs, dass
wenn nur erst durch die eigenen Bemühungen des norddeutschen Kaufmanns-
uud Seemannsstandes, unter Benutzung der anderswo schon gesammelten Erfahrungen
und bewährten Einrichtungen, mit praktischer Einsicht die Fundamente eines
solchen Instituts gelegt worden sind und dessen Wirksamkeit, obsehon in
bescheidenem Maasse, doch mit anerkanntem Erfolge begonnen haben wird, dann
die Fortführung und Ausdehnung der Unternehmung durch angemessene staat
liche Fürsorge um so sicherer und gedeihlicher sein muss.