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Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw. 1926.
Die Temperaturverhältnisse am Bodensee bei kalten, ablandigen Winden,
Von W. Peppler, Friedrichshafen a, B.
Bei der Bedeutung, die in der modernen Meteorologie die Kenntnis der
Vorgänge bei der Ausbreitung kälterer Luft über wärmeres Wasser hat, gewinnen
die Temperaturbeobachtungen der Drachenstation am Bodensee, die seit Jahren
am Land, auf dem See und in der freien Atmosphäre darüber angestellt worden
sind, besonderes Interesse. Das Material der Drachenstation liefert einige wichtige
Beobachtungsgrößen, die wohl an keinem Ort unter ähnlichen Verhältnissen zur
Verfügung stehen.
In der vorliegenden Arbeit soll den empirischen Beziehungen nachgegangen
werden, die zwischen der Temperatur der Wasseroberfläche, der Lufttemperatur
an Land und über dem See in verschiedenen Höhen unter ganz bestimmten
meteorologischen Bedingungen, und zwar bei kalten, ablandigen Winden,
wechselweise bestehen.
Um die Untersuchung unter möglichst eindeutigen Voraussetzungen durch-
lühren zu können, beschränkt sie sich auf eine bestimmte Situation, nämlich auf
die Luftbewegung in den frühen Morgenstunden zur Zeit des Fesselaufstieges
auf dem See und auf den ungefähr senkrecht zum Strande wehenden kalten,
ablandigen Nordostwind. Aus den Jahren 1909 bis 1925 finden sich etwa
700 Aufstiege, die diesen Anforderungen genügen. Es stehen folgende Beobach-
tungsgrößen zur Verfügung:
1. Die Lufttemperatur an Land, gemessen im Hofe der Drachenstation in
3 m Höhe über dem Boden und etwa 5 m über dem Seespiegel und in 15 m Ent-
fernung vom Hafenrand,
2. Die Temperatur der Wasseroberfläche, und zwar meist die sogenannte
pelagische Temperatur, gemessen an Bord der „Gna“ mit einem Schöpf-
thermometer.
3. Die Lufttemperatur in etwa 2 m über dem Seespiegel, gemessen mit einem
aspirierten Thermometer an Bord der „Gna“
4, Die beim Fesselaufstieg gemessenen Temperaturen in 100 und 600 m Höhe
über dem Spiegel des Bodensees, (Die Temperaturen in größerer Höhe kommen
für die vorliegende Untersuchung nicht in Betracht.)
5. Die Windgeschwindigkeit über dem See,
Bevor auf die Beziehungen dieser fünf Beobachtungsgrößen untereinander
näher eingegangen wird, seien einige Mittelwerte der Temperaturdifferenzen mit-
geteilt (Tabelle 1). Es bedeuten tl = Lufttemperatur an Land, ts = Lufttempe-
ratur über dem See in 2 m Höhe, tw == Temperatur der Wasseroberfläche.
Tabelle 1.
Frühling Sommer Herbst
ts —tl 0.6° 0,9° 1,3°
tw—ts 2.40 3.79 58°
tw—tl 3.09 4.69 7.10
tw—t] x
a 1.2° 1,2% 1,20
tw—t =
ta 4,89 5.19 6.00
Aus der Tabelle geht hervor, daß bei ablandigen, nordöstlichen Winden in
den frühen Morgenstunden die Wasseroberfläche erheblich wärmer ist als die
Luft an Land in etwa 2 m Höhe über dem Boden, Ungefähr parallel mit der
Differenz tw—t1] geht die Differenz tw—ts. Der Temperaturüberschuß der Wasser-
oberfläche gegen die Luft in 2 m über dem Seespiegel ist ebenfalls im Frühling
klein, im Herbst und Winter groß. Der Quotient iz ist in allen Jahreszeiten
1.2°;: der Quotient 5 ist veränderlicher und liegt bei 5—6°.
Die vertikalen Temperaturgradienten in den untersten Schichten der freien
Atmosphäre über dem See gibt Tabelle 2.
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