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Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw. 1926.
Gibt es stationäre glaziale Antizyklonen?
Von E, van Ererdingen, de Bilt,
Seit 1910 hat W, H. Hobbs!) mit großem Eifer die Ansicht verteidigt, daß
in der Luftzirkulation der Erde eine wichtige Rolle erfüllt wird von festen
Antizyklonen, welche die eisbedeckten Kontinente in den Polargegenden über-
lagern. Die Bemerkungen, welche Hobbs kürzlich über die vermutliche Her-
kunft der „polaren“ Luft in Bjerknes’ Theorie der Zyklonen gemacht hat), und
die in diesem Jahre von Hobbs und Koch geplanten Expeditionen nach dem
nördlichen Teile Grönlands haben aufs neue die Aufmerksamkeit auf Hobbs’
Theorie gelenkt, Jeder Meteorologe sieht gespannt den Ergebnissen dieser Ex-
peditionen entgegen, überzeugt, daß sie jedenfalls unsere recht geringen Kenntnisse
ron den Polarzuständen bedeutend vermehren werden, um so mehr, weil die höchst
erfreuliche Gründung ständiger meteorologischer Stationen in Südost- und Süd-
west-Grönland durch das Dänische Meteorologische Institut unter dessen tat-
kräftigem Direktor Dr. La Cour das Bindeglied zwischen den Beobachtungen in
polaren und gemäßigten Erdteilen liefern wird, Aber was die Expeditionen auch
bringen mögen, sie werden nicht imstande sein, die schon jetzt feststehenden Tat-
sachen aus der Welt zu schaffen. Ich möchte hier ganz kurz die Überlegungen
erörtern, welche mich dazu führen, die in der Überschrift gestellte Frage ver-
neinend zu beantworten.
Antarktische Luftdruckbeobachtungen. Bei einer stationären Antizyklone könnten
am Rande vorbeiziehende Teilminima zeitweise den Gradienten verstärken und
auch wohl eine Druckerniedrigung hervorrufen, Was aber im Jahre 1911, als
die Expeditionen Scotts und Amundsens gleichzeitig am antarktischen Kontinent
verweilten, in Framheim beobachtet wurde, geht weit darüber hinaus. Die Monate
Oktober und Dezember zeigten Luftdruckmittelwerte, welche um 26 mm verschieden
waren. Bei der mittleren Intensität der Gradienten über diesem Kontinent be-
deutet das eine Verschiebung der Lage des Maximums um die ganze Breite des
Kontinents, so daß wenigstens die Hälfte damals zeitweise unter zyklonalem Ein-
Nuß gewesen sein muß.
Synoptische Wetterkarten der Nordhemisphäre, Wenn auch noch größere
Lücken ’in diesen Karten vorhanden sind, so kann doch kein Zweifel darüber
bestehen, daß die Hochdruckgebiete in der nördlichen Polargegend sehr große
Schwankungen ihrer Lage aufweisen und fast ebenso oft außerhalb Grönlands
wie über Grönland selbst auftreten. Die von Sir Napier Shaw veröffentlichten
Luftdruckkarten?) zeigen ja für Januar lediglich eine Ausbuchtung der Isobaren
über Grönland, jedoch einen mittleren Luftdruck von nur etwa 752 mm; im Juli
ist Grönland sogar von einem flachen Tief überlagert, und das zu einer Zeit, wo
die Eisbedeckung des Festlandes gegenüber dem teilweise eisfreien Meere zur
Bildung eines Hochdruckgebietes führen müßte, wenn die Bodenverhältnisse irgend
ausschlaggebend wären,
Es seien hier zwei Bemerkungen gestattet über die letzten Äußerungen
Hobbs’. Er meint, aus seiner Zusammenstellung der Luftdruckbeobachtungen in
dem Arktischen Meere), welche einen mittleren Barometerstand von 758 mm auf-
weist, gehe hervor, daß über diesem Meere kein Hochdruckgebiet vorhanden sel,
Es handelt sich jedoch nur um die Frage, 0b der Luftdruck relativ zur Um-
gebung hoch ist, und das ist in der Tat der Fall. Wenn weiter Hobbs be-
merkt%), die Polarluft zeichne sich nicht durch Klarheit und Trockenheit, sondern
durch Nebel aus, so vergißt er, daß es sich in Bjerknes’ Polarfronttheorie nicht
um Polarluft in den Polargegenden, sondern um solche handelt, die nach nied-
rigeren Breiten vorgedrungen ist; diese ist infolge der allmählichen Erwärmung
weit vom Sättigungspunkt entfernt.
Mit vorstehenden Bemerkungen soll keineswegs behauptet werden, daß nicht —
besonders im Winter -— die stark abgekühlte Bodenluft über einem eisbedeckten
Kontinent zur Bildung einer Antizyklone beitragen kann. Die Bedeutung dieses
') Proc, Am, Phil, Soc, 54, S. 185, 1915; 60, S. 34, 1921. — 2) The nir and its ways, Tafel XX
and XXI, 1923, — 3) Nature, 116, 5, 519, 1925, — 4) C.-R., 181, 5. 259, 1925,