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Full text: Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie

Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw, 1926, 
„Bei den höchst verschlungenen Wegen, welche die Entwicklung wissenschaftlicher Gedanken 
nimmt, ist es oft sehr schwierig, ihre Entstehung und ihr Wachstum zu verfolgen, Es ist daher nicht 
zu verwundern, daß irrtümliche Angaben darüber sehr häufig sind, besonders bei Jüngeren Forschern,“ 
Mit Eifer und Ausdauer machte er nicht nur Druck- und Sogversuche mit 
drachenähnlichen Körpern im Wasser, ähnlich wie Ahlborn, sondern ging auch 
dem Problem der Wellenberuhigung auf See durch aufgegossenes Öl experimentell 
zu Leibe, Zu diesem Zwecke begab er sich für mehrere Tage an Bord eines 
Lotsenschoners an der Elbmündung und machte von dort seine Versuche, Sehr 
überrascht war er von den praktischen Lotsenhandschuhen, die zwei Daumen, an 
jeder Seite einen, also sechs Finger, hatten, damit die Lotsen, ohne erst nach dem 
rechten und linken Handschuh suchen zu müssen, schnell mit der Hand hinein- 
fahren konnten, Als Köppen von seiner Reise nach Hause zurückkehrte, rief 
er als erstes seiner ihm entgegentretenden Frau zu: „Guten Tag, liebe Marie, Du 
mußt mir gleich an meine Handschuh einen zweiten Daumen annähen!* 
Nicht nur auf Land, sondern auch auf See führte Köppen bei Sturm und 
Wetter trotz dauernder Seekrankheit seine Drachen- und Ballonaufstiegsversuche 
zielbewußt als Pionier neben Hergesell und den ausländischen Kollegen Rotch 
und Teisserene de Bart, die ihn gern in Großborstel auch persönlich besuchten, 
durch. Ich selbst hatte die Freude, Köppen bei seinen ersten Drachenaufstiegs- 
versuchen an Bord des Dampfers „HMo)satia“ im August 1902 zu helfen, der für 
die internationale Kommission zur Erforschung der nordeuropäischen Meere seine 
allererste 12tägige Terminfahrt durch die Ostsee (Kiel—Saßnitz— Trelleborg— 
Memel) machte, Die „Holsatia“ war gechartert für den in Dock gegangenen net 
erbauten Forschungsdampfer „Poseidon“, an dessen ersten Reisen ich nur für 
ozeanographische Zwecke teilnahm. Auf der „Holsatia“-Fahrt hatten wir viel 
unruhiges Wetter. Als Köppen in Saßnitz an Land stieg, äußerte er aufatmend 
seinem zweiten Drachengehilfen Schwitzer gegenüber — der erste Gehilfe Bethge 
war in Hamburg geblieben —: „Wie glücklich sind die Menschen, die festen Fuß 
unter sich haben.“ 
Es war auch in diesen Jahren, wo Köppen bei der Hamburg-Eimsbütteler 
Jugend nur als „Drachenprofessor am Isebek-Kanal“ bekannt und beliebt war, 
„Was soll denn die Laterne im Drachen?“ fragte ein ganz wißbegieriger Eims- 
bütteler, worauf man ihm antwortete: „Weils in den Wolken so duster ist.“ Ein 
anderer rief: „Sieh! jetzt geht den Professor seine Kommode hoch!‘ 
Die humoristische Seite, die den Professoren nachgesagt wird, füllte Köppen, 
wie stets seine Stelle, voll aus. Dies zeigte sich darin, daß er beim Verlassen 
seiner Drachenstation gelegentlich nicht nur bei stärkstem Regen seinen mit- 
gebrachten Schirm, sondern auch bei schönstem Welter seinen mitgebrachten 
jüngsten Sohn Lexi „stehenließ“! 
Um die Reißfestigkeit seiner Drachenleinen festzustellen, ging er, wie immer, 
gründlich ans Werk, Zuerst stellte er Versuche mit dem bekannten Hamburger 
„Bott“ Bindfäden und Schnüren, an. Dann ließ er sich Drahtproben schicken, 
die er in seiner Wohnung an einer Zimmertür passend befestigte, bestieg einen 
Stuhl und hängte sich beim Herabspringen mittels Rolle an den zu untersuchenden 
Draht. Dies wiederholte er unzählige Male, um die Reißgrenzen zu vergleichen. 
War es am Morgen windstill, so fuhr Köppen zur Seewarte, nahm aber sein 
Marvin-Instrument unterm Arm mit. Sobald Wind aufkam, was er u, a. durch 
Federn, die er aus seinem Fenster auf der Seewarte fliegen ließ, feststellte, so 
eilte er zum Isebekkanal. Einer, der die Federn aus Köppens Fenster fliegen 
sah, soll zu Neumayer geäußert haben: „Jetzt ist der Professor wohl ganz durch- 
gedreht“, worauf ihm Neumayer antwortete: „Wenn alle so durchgedreht wären, 
dann ginge es uns allen weit besser“, Wer von uns denkt dabei nicht an die 
Zeiten, wo ein Zeppelin verspottet wurde? 
Köppens Frau und eben konfirmierte Tochter Aline mußten ihm oft im 
Hause Drachenzeug mit der Handnähmaschine nähen. Drohte der Wind abzu- 
Nauen, so wurde das Zeug provisorisch mit Stecknadeln am Drachengestell be- 
festigt, besonders wo es galt, eine neue Erfindung, z. B, die des Treppendrachens, 
auszuprobieren, Versuche mit rotierenden Fallschirmmodellen führte Köppen
	        
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