Weinberg, B.: Physikal. Betrachtungen über Entstehung usw. einzelner Elemente d. Hydrometeore. 105
Physikalische Betrachtungen über Entstehung und Schicksal einzelner
Elemente der Hydrometeore ©.
Von Boris Weinberg, Leningrad,
Von den gasförmigen Bestandteilen der Atmosphäre könnten!!) nur Kohlen-
zäure und Wasser, deren kritische Temperaturen oberhalb der niedrigsten Luft-
temperatur liegen, in flüssigen oder festen Zustand übergehen. Doch ist für
Kohlensäure der maximale Partialdruck noch viel kleiner als die Sättigungs-
spannung ihres Dampfes bei jener niedrigsten Temperatur. Die Partialdrucke
des Wasserdampfes werden in den unteren Atmosphärenschichten oft der Sättigungs-
spannung gleich; von einer gewissen Höhe ab werden die Drucke bei den dort
herrschenden Temperaturen kleiner als die Werte der Partialdrucke, welche in
diesen Höhen dem Werte an der Erdoberfläche im Falle der Verkleinerung des
Druckes nach dem einfachen exponentiellen Gesetze entsprechen würden. Deshalb
ist?) der Wasserdampf der einzige gasförmige Bestandteil der Atmosphäre, der in
deren oberen Schichten sich in labilem Zustand befindet, eine Tatsache, die zu
periodischen Niederschlägen führen müßte, Wären keine vertikalen Strömungen
vorhanden, so müßte diese Periodizität hauptsächlich von dem Werte des Diffusions-
koeffizienten des Dampfes und von dem möglichen Übersättigungsgrad abhängen.
Das Verhältnis des Turbulenzkoeffizienten zu dem Diffusionskoeffizienten in ruhiger
Luft muß dasselbe sein wie das der entsprechenden Koeffizienten von Wärme-
leitung und innerer Reibung zueinander, — ein Grund mehr, sich mit der Tur-
bulenz der Luftströmungen und den einzelnen Stößen, aus denen ein turbulenter
Luftstrom besteht, eingehender zu befassen. Da die Zeitintervalle zwischen zwei
Windstößen selten kleiner als 2 bis 8 Sekunden sind, und für eine Ähre oder
einen Baumzweig — ja sogar für einen ganzen Baum — die Schwingungsperiode
von der Größenordnung 1 Sekunde und das logarithmische Dekrement dieser
Schwingungen von der Ordnung 1 sind, so habe ich vorgeschlagen ®), ein Getreide-
feld oder isolierte Bäume in ihrer Gesamtheit als geeignete „massenhafte“ Indi-
katoren für die Untersuchung der Windböigkeit zu benutzen.
Wenn man auch mit Moltschanoff!!) den vertikalen Strömungen in den
unteren Luftschichten, verglichen mit der Wirkung der Turbulenz, im allgemeinen
nur eine untergeordnete Rolle für die Aufwärtsbewegung des in labilem Zustand
befindlichen Wasserdampfes zuschreiben wird, so sind doch in manchen Fällen
von Wolkenbildung in den oberen Schichten zweifellos örtliche Vertikalströmungen
die Ursache. Solche Strömungen werden Wirbelbewegungen erzeugen, entweder
in Form eines Wirbelfadens mit vertikaler Achse, die in den oberen Schichten
antsteht und sich allmählich nach unten verlängert — z. B. in manchen Fällen
jer Wasserhosenbildung —, oder in Form einer ringförmigen Wirbelschnur, deren
geschlossene Achse ungefähr in einer horizontalen Ebene liegt. Zwei treffliche
Beispiele solcher ringförmigen Wirbel erblickte ich im Altai-Gebirge 1921 und,
in der Nähe von Tichwin, 1924!%); die Abwärtsbewegung einzelner Flocken der
Regenwolken konnte ich in den äußersten Teilen der sich uns nähernden Wirbel-
ringe deutlich verfolgen. In den inneren Teilen derartiger Wirbel, in denen ein
heftiger Aufwind stattfindet, entstehen Regentropfen, die dank jener Aufströmung
nicht fallen können. In der Mitte zwischen dem Ringzentrum und der Peripherie
ist dagegen das Fallen möglich; an der Peripherie verschwinden die Tropfen
infolge der Abströmung oder verkleinern sich. Im zweiten obigen Falle ließ sich
sogar das Aussetzen des Regens, als das Ringzentrum über unseren Köpfen hin-
*) Die Abhandlung ist im wesentlichen ein Auszug aus den am Schluß unter Ziffer 1 bis 11
venannten Aufsätzen, die ich nur in russischer Sprache, z. T. lediglich in Referatform, veröffentlicht
habe; einige Arbeiten sind noch nicht publiziert. Meine Zeit habe ich größtenteils der Physik des
iesten Körpers und dem Erdmagnetismus (insbesondere von Sibirien) widmen müssen; ich darf hierzu
Bezug nehmen auf die Liste meiner betreffenden Arbeiten in Proc. Ind, Ass, Cultiv, Scien,, IX,
246—250 (1926) und in Terr. Magn., XXVMHI, 122/23 (1923), Es ist mir demzufolge leider nicht
möglich gewesen, die in obiger Abhandlung erörterten Fragen (s. auch Lit, Verz, Nr. 7), deren Be-
arbeitung eine jahrelange Tätigkeit mehrerer Forscher erfordert, erschöpfend zu behandeln.