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Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw. 1926.
Erscheinung. Es kann Bedenken erwecken, daß zwei so heterogene Winter aus-
gewählt wurden und es muß auch betont werden, daß ein Vergleich nur cum
grano salis durchgeführt werden kann. Die Bearbeitung zweier normaler Winter
ist in Aussicht genommen,
Schon aus den Fig. 4 bis 8 war zu erkennen, daß im Winter 1923/24 die
24tägige Welle besonders stark entwickelt ist, z. B. in Hamburg, Paris, während
sie im abnorm warmen Winter 1924/25 durch die 36tägige verdrängt wird. Ver-
folgen wir (s. Fig. 9a, b) die Isophasen der 241tägigen Welle des Winters 1923/24,
so sehen wir ein zirkumpolares System geschlossener Isophasen, das gegen
die bekannten Hauptausbruchsgebiete polarer Kältewellen zungenförmig deformiert
ist, Grönland, Aleuten und Sibirien, Die Verwandtschaft mit der von O. Myr-
bach!) gewonnenen Isallobarenkarte des 21. Februar 1914 erscheint bemerkens-
wert. Die Amplituden erreichen ihren Höchstwert über Spitzbergen mit 12 mm,
nehmen von da gegen den ÄAquator ziemlich gleichmäßig, über den Kontinenten
etwas langsamer ab. Ein nochmaliges Anschwellen nach Überwindung der Golf-
stromzone ist über den britischen Inseln zu erkennen.
Über dem östlichen Mittelmeerbecken tritt eine Amphidromie auf, gleich-
zeitig gehen, wie dies ja der Theorie entspricht, die Amplituden auf Null herab
Das dominierende Element dieses mittelstrengen Winters war dem-
nach die 24tägige Oszillation der polaren Kaltluftkalotte.
Im Gegensatz dazu zeigt die 24tägige Welle des Winters 1924/25 (Fig. 10a, b)
ein ganz anderes Verhalten. Weder diese Welle, noch übrigens irgendeine andere
ergeben geschlossene zirkumpolare Isophasen; es sind nur in der Amplituden-
karte die drei erwähnten „Hauptreaktionsgebiete“ durch die Höchstwerte der
Amplituden zu erkennen, die Isophasen aber weisen einen zweimaligen Umlauf
um den Pol auf, der auf geringe Polwerte der Amplituden schließen läßt.
Die Fortpflanzungsrichtung der Wellenbewegung ist in den Isophasenkarten
durch gestrichelte Pfeilbahnen (orthogonale Trajektorien) angedeutet. Natürlich
darf man sich nicht etwa darüber wundern, daß die Werte der Anfangsphase und
die Amplituden benachbarter Stationen so gut übereinstimmen. Da es sich ja
um die Analyse einer kontinuierlich verbreiteten Bewegung handelt, ist nichts
anderes zu erwarten als stetig verlaufende Konstituenten. Das liegt im Charakter
der harmonischen Analyse begründet. Was aber für die physikalische
Realität der Wellen spricht, ist ihre Beziehung zur allgemeinen Zirkulation
und ihr geographischer Zusammenhang. Diese Abgrenzung der Polarwelle hat
etwas durchaus Plausibles an sich und wenn man von der allgemeinen Isophasen-
und Isamplitudenkarte zu den für die einzelnen Tage geltenden Karten durch
entsprechende Wahl von t übergeht, so findet man auch, wie sich die polare Welle
jedesmal in charakteristischer Weise in der Luftdruckverteilung der betreffenden
Tage bemerkbar macht. Auf diese Frage kann hier aus räumlichen Gründen
nicht eingegangen werden, sie wird gleichfalls in der „II. Mitteilung“ näher
behandelt werden. Man wird aber schon aus den angeführten Beispielen den
Eindruck gewinnen, daß die harmonische Analyse bei Einführung entsprechender
Kautelen, die durch das Symmetriegesetz gewährleistet sind, Aufschluß über die
Gesetzmäßigkeiten und den inneren Aufbau der Druckgebilde geben kann, die wir
auf den Wetterkarten beobachten. Zur praktischen Anwendung ist von da freilich
noch ein weiter Schritt, um so mehr als es sich ja nicht, wie bei der Gezeiten-
analyse um solche Schwingungen handelt, die durch äußere Kräfte bekannter
Periode erzwungen, dauernd vorhanden sind und beliebig weit rechnerisch voraus-
bestimmt werden können.
:) 0. Myrbach, Das Atmen der Atmosphäre unter kosmischen Einflüssen; Annal, d, Hydrogr.
u. Maritim. Meteorol., März 1926, S. 94—105.