110 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, November 1926.
wichtig, sich über die Gesamtwetterlage, die Entwicklung der europäischen
Witterung durch die nächste Wetterdienststelle unterrichten zu lassen. An den
Orten, wo eine solche nicht bestand, mußten auch noch synoptische Karten für
ganz Europa gezeichnet werden, Der Nachrichtenmitteldienst war für die Tage
des Seeflugwettbewerbs außerordentlich gut aufgezogen, Kleine Mängel, die in
der Übermittlung bei einigen Stellen aufgetreten sind, konnten ruhig mit in Kauf
genommen werden. Sie werden beim nächsten Male durch eine möglichst persön-
liche rechtzeitige Vorbesprechung behoben werden können.
Der Funkdienst hatte nach stark erweiterten Plänen zu arbeiten. Die Er-
fahrungen haben gezeigt, daß eine Empfangsanlage in solchen Fällen nur von
einem Funker bedient werden kann, der mit der Aufnahme von Wetternachrichten
voll und ganz vertraut ist. In den meisten Fällen stand solches Personal zur
Verfügung. Besondere Schwierigkeiten wurden dem Funkempfang durch die
starken atmosphärischen Störungen bereitet. Sie waren oft unerträglich. Dennoch
sind von den eingeübten Funkern alle Funksprüche aufgenommen worden. Man
erhält Einsicht in den stark erweiterten Funkbetrieb während dieser Tage, wenn
man die Zahl der in Hamburg aufgenommenen Funksprüche mit 72 angegeben
sieht. Wenn man bedenkt, daß fast jeder von diesen Funksprüchen eine Sammel-
meldung darstellte, so kommen täglich 1500 Worte heraus, Der erste Funkspruch
mußte 04.30 Uhr, der letzte 19.20 Uhr aufgenommen werden. Von 03.00 Uhr
bis 19.00 wurden Sammelobstelegramme gefunkt. Der Funksendeplan von Ham-
burg (Flughafensender) war an den Tagen außerordentlich reichhaltig. Da.in
Hamburg als der Zentrale für die Nordsee die Fäden des Nachrichtenmittel-
dienstes zusammenliefen, hatte der Hamburger Sender wohl den größten Sende-
betrieb. 146 Wettermeldungen wurden ungefähr an den in Frage kommenden
Tagen gefunkt. Dazu kamen etwa 12 Höhenwindmessungen. Die Gefahren-
meldungen, die vom Nachmittag des ersten Tages an zahlreich einliefen (Gewitter
und SW-Sturm) wurden außerdem angehängt. Viermal am Tage wurde dem
Obs eine Diagnose des Wetters in der Nordsee und westlichen Ostsee angehängt,
am Abend eine Prognose für den nächsten Tag. Diese Diagnosen bzw. Prognosen
sind auch vom Observatorium Lindenberg wieder verbreitet worden, sie waren
jedesmal dem nächsten Sammelfunkspruch von Lindenberg angehängt. Als Bei-
spiel soll die Diagnose vom 24, Juli 15.33 Uhr angeführt werden: Nordseeküste
Leichtgewitter, Zugrichtung West— Ost, mehrere Gewitterzüge folgen, gutsichtiges
Wetter, mäßiger Seegang und schwache Dünung, starke SW-Winde in der Höhe
(in 1000 m 60 bis 70 km p. Std.).
Die Wetterlage brachte für den Meteorologen ein klares Bild, allerdings
wurde sie für den Flieger von Tag zu Tag bedenklicher, Eine rasche Ostwärts-
wanderung der am Morgen des 24. Juli über den britischen Inseln liegenden
Zyklone mußte bald auch der Nord- und Ostsee Wetterverschlechterung, stürmische
Winde und böiges Wetter bringen. Beim Start in Warnemünde hatten die
Maschinen noch herrliches Wetter. Norddeutschland lag am Rand einer Anti-
zyklone, die sich über ganz Deutschland ausbreitete. Auf der ganzen Flugstrecke
Warnemünde—Hamburg— Norderney herrschte heiteres Wetter mit nur hohen
Wolken. Die Sichtverhältnisse waren überall gut, meistens wurden 10 bis 20 km
Horizontalsicht am Boden gemeldet, Ganz leichter Morgendunst lag noch über
dem Gelände. Die im ganzen Küstengebiet der Nordsee und über Norddeutsch-
land bis in die höheren Schichten hinaufreichende Südwestströmung bestätigte
die Annahme, daß die Zyklone sich rasch nach der Nordsee vorarbeiten würde,
Die Höhenwindmessungen ergaben stetig wachsende Geschwindigkeiten. Schon
die Morgenwetiterkarte, besser dann noch die Nachmittagkarte zeigten über
Holland stark ausgebuchtete Isobaren, die sich zu Gewittersäcken ausbildeten.
Man konnte daraus schließen, daß der Einfluß des Hochdruckgebietes rasch durch
Frontgewitter, die eine Westwindwetterlage einleiteten, vernichtet werden würde.
In den Flughöhen war die Böigkeit außerordentlich stark.
In Hamburg war es zunächst noch nicht nötig, die Flieger vor Gefahren
zu warnen, doch wurde ihnen die Entwicklung zu einer Gewitterlage angedeutet
and sie auf die wachsenden Windgeschwindigkeiten aufmerksam gemacht. See-