386 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Oktober 1926,
schule erster Ordnung in Osterode a. H. bis Obersekunda, Im Herbst 1879
verließ er, seinem inneren Drange, Seemann zu werden, folgend, die Schule und
musterte auf dem Vollschiff „Harmonia“ als Junge an. Nachdem er 70 Monate
vor dem Maste auf verschiedenen Bremer und preußischen Schiffen gefahren hatte,
machte er im April 1884 in Bremen die Prüfung zum „Seesteuermann für große
Fahrt“, 1886/87 diente er als Einjährig-Freiwilliger in der Kaiserlichen Marine,
wobei er sich die Qualifikation als Reserveoffizier erwarb, und legte nach weiterer
36 monatiger Fahrzeit als zweiter und erster Steuermann auf Segelschiffen ohne
vorherigen Schulbesuch im März 1891 in Papenburg die Prüfung zum „Schiffer
auf großer Fahrt“ ab. Im August 1891 trat er als Offizier beim Norddeutschen
Lloyd ein, der ihn infolge seiner Fach- und Sprachkenntnisse im Jahre 1900 als
Vertreter zur Weltausstellung in Paris und später zum Studium von See-Rettungs-
apparaten nach Le Havre schickte. Im Mai 1909 wurde er zum etatsmäßigen
Kapitän befördert, nachdem er vorher über vier Jahre zum Deutschen Schulschiff-
verein beurlaubt worden war, um dort auf dem Schulschiff „Großherzogin Elisa-
beth“ als Erster Offizier und Kapitän Dienste zu tun.
Raegener war voll und ganz Seemann. Wenn auch, im Bewußtsein seiner
Fähigkeit, ein Draufgänger, so hatte er doch während seiner Laufbahn als Kapitän
niemals Havarien zu beklagen, Voll zur Geltung kam seine Fähigkeit und see-
männische Fachkenntnis während seiner Tätigkeit an Bord des Schulschiffes
„Großherzogin Elisabeth“, wo er eine ganze Reihe von Jungmännern zu Seeleuten
ausbilden mußte. Wie vortrefflich ihm dies gelungen ist, wird von vielen fahrenden
Kapitänen bezeugt, die voll des Lobes über die Tüchtigkeit seiner Zöglinge sind,
Aber auch diese selbst erkennen es dankbar an, daß Raegener sie zu tüchtigen
Menschen erzogen hat, wie die häufigen Besuche und der rege Schriftverkehr
zwischen ihm und ihnen bekundeten.
Obwohl Raegener auf dem Schulschiffe vollauf zu tun hatte mit der Aus-
bildung seiner Zöglinge, fand er doch noch Zeit, sich mit seemännischen Problemen
zu beschäftigen, die die Sicherheit der Schiffe erhöhen und die Handhabung der
Segelschiffe erleichtern sollten. So war er eifrig damit bemüht, Vorrichtungen
zu ersinnen, die einen sicheren Lukenverschluß gewährleisten sollten. Seine
Hauptaufgabe war aber darauf eingestellt, Erleichterung für das Setzen und Bergen
der Segel zu schaffen, und er schlug vor, die Segel nicht mehr aufzugeien und
an den Rahen festzumachen, sondern nach der Mitte einzuholen und sie dort zu
beschlagen. Seine Vorschläge, die er an der Hand von Zeichnungen in ver-
schiedenen Zeitschriften erläuterte, führten auch zu praktischen Versuchen, doch
konnten diese infolge des Kriegsausbruches nicht weiter ausgebaut werden.
Bei Kriegsausbruch meldete sich Raegener, obwohl schon 52 Jahre alt,
sofort beim Admiralstab. Als Navigationsoffizier auf S. M. Hilfskreuzer „Berlin“
tätig, wurde er nach erfolgreicher Aktion mit dem Schiff in Norwegen interniert,
entwich aber von dort und stellte sich dem Admiralstab erneut zur Verfügung.
Auf seinen eigenen Wunsch kam er im Januar 1915 zum Marinekorps nach Flandern,
wo er im 5. Matrosenregiment als Kompagnieführer und, nach seiner Beförderung
zum Korvettenkapitän, als Bataillonskommandeur Dienst tat. Er nahm an allen
Kampfhandlungen des Marinekorps teil und wurde für seine Leistungen und seine
Tapferkeit mit folgenden Kriegsdekorationen ausgezeichnet: 1. Ritterkreuz des
Hohenzollernschen Hausordens mit Schwertern, 2. Eisernes Kreuz II. und I. Klasse,
3. Oldenburgisches Friedrich August-Kreuz II. und I. Klasse, 4. Braunschweiger
Kriegsverdienstkreuz II. und I, Klasse, 5. Bremer Hanseatenkreuz,
Nach dem Kriege führte Raegener den Truppentransportdampfer „Schles-
wig“ zwischen Stettin und Libau, schied dann aber aus dem Dienste des Nord-
deutschen Lloyd aus, nachdem das Schiff an die Entente abgeliefert war. Bis
Mitte Mai 1920 war er als Stabsoffizier im Lockstedter Lager beim Gefangenen-
rücktransport tätig, fungierte dann bis Ende Mai 1921 als Inspektor beim Deut-
schen Schulschiffverein in Bremen und trat von da in den Dienst der Deutschen
Seewarte über, wo er im November 1921 als Abteilungsvorstand der Abteilung I
angestellt wurde.
Auf der Deutschen Seewarte konnte Raegener zunächst seine seemännischen
Kenntnisse nicht recht verwerten, da infolge der Nachwirkungen des Krieges