Ann, d, Hydr. usw., LIV, Jahrg. (1926), Heft I.
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W. Köppen und A. Wegener: Die Klimate der geologischen Vorzeit.
Von Walter Georgit, Hamburg.
„Unbekümmert um schwanken Grund vieler
Einzelheiten .... entwirft er ein kühnes Gedanken-
gebäude, das dann natürlich tausend äußere An-
griffspunkte bietet, so daß der wahre Kern dem
Angriff entgeht, — und er würde ihm standhalten,“
Engen Fischer
{zu H, St. Chamberlains „Grundlagen‘‘),
Der Meteorologe wird an das große Werk Köppens und A, Weogeners mit
geringerer Voreingenommenheit herangehen können, als es der Geologe und
Geograph tun wird, Ihm wird es zunächst nicht schwer werden, die große Vor-
aussetzung der Kontinentenverschiebung anzuerkennen oder wenigstens als Arbeits-
hypothese zu gebrauchen, solange nicht von den hierfür in erster Linie zustän-
digen Wissenschaften ihre Unhaltbarkeit dargetan ist. Auch hat der Meteorologe
keine Veranlassung, die Bedeutung der Klimazeugen geringer einzuschätzen, als
es die Verfasser tun, solange von dem Geologen und Geographen die Haltlosig-
keit ihrer Deutung in dem von Köppen und Wegener angegebenen Sinne nicht
nur teilweise, sondern in überwiegendem Maße nachgewiesen ist, Der Meteorologe
wird mit der wissenschaftlichen Kritik und Anerkennung gegenüber diesem Werke
eine herzliche Dankbarkeit empfinden, Dankbarkeit vor allem gegenüber Wla-
dimir Köppen, dem Altmeister der deutschen Meteorologie, daß er uns erst die
Klimatologie der Gegenwart in ein abgeschlossenes System eingeordnet hat und
nun auch in Gemeinschaft mit A. Wegener das hypothesenreiche und deshalb
bisher noch sehr unübersichtliche (Gebiet der Paläoklimatologie durch die kon-
sequente Verfolgung der Wegenerschen Anschauung über die Entstehung der
Kontinente und Ozeane zu einer folgerichtigen und bei der Vielgestaltigkeit und
unermeßlichen Zeiträumlichkeit des Problems geradezu wunderbaren Klarheit
geführt hat. Wir sind. uns wohl bewußt, daß die Folgerungen der großen Theorie
durch weitere Erkenntnis Einschränkungen erfahren können, manches sich als
komplizierter herausstellen mag, als es jetzt erscheint; der große Gedanke und
die wissenschaftliche Tat von Köppen und Wegener werden aber hierdurch
keine Einbuße erleiden, sondern in der Anregung und Befruchtung, welche die
Wissenschaft in dem Widerstreit der Meinungen erfährt, erst recht hochgehoben
werden.
In der Inhaltsübersicht des umfassenden Werkes soll hier das Hauptgewicht
auf die meteorologisch-klimatologischen Fragen gelegt werden. Als Grundgesetz
des Klimas wird von den Verfassern seine zonale Gliederung vorangestellt, die
von Störungen infolge ungleicher Verteilung von Wasser und Land wohl ver-
wischt, aber nirgends unterdrückt werden kann, Ihr charakteristisches Merkmal
ist die Unterteilung des Klimas in drei Regengürtel, den äquatorialen und den
nördlichen und südlichen der gemäßigten Breiten, zwei Trockengürtel, eingelagert
auf beiden Hemisphären zwischen den beiden Regenzonen, und zwei kalte Kalotten
an den beiden Polen. Dieses Grundgesetz des heutigen Klimas suchen die Ver-
fasser auch in der geologischen Vergangenheit unter Berücksichtigung. der sich
aus der Theorie der Kontinentenverschiebung ergebenden Oberflächengestaltung
der Erde nachzuweisen, Zur Bestimmung der verschiedenen Klimagürtel dienen
die fossilen Klimazeugen. Als Klimazeugen sind anzusehen: für polares Klima
fossiles Steineis, Blocklehme und Steinmeere. Die Erhaltung des fossilen
Steineises fordert die Existenz einer oberflächigen Schutzdecke gegen den Ein-
Auß der Sommerwärme und den Verlauf der Bodenisothermenfläche von 0°
unterhalb des Eises. Steinmeere sind Produkte kalten, aber schneearmen Klimas,
Für die Regengürtel, den tropischen und die der gemäßigten Kreise, bildet die
Kohle den hauptsächlichsten Klimazeugen, Allerdings hat ihre Bildung nicht
nur klimatische, sondern auch topographische Voraussetzungen. Sie entsteht in
Ann. d., Hyrdr. osw, 1928, Heft IL.