308 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, August 1926,
sondern entweder überhaupt nur in einem mehr oder minder eng begrenzten
Gebiete negativ (Januar, März, Juli) oder aber zonal unterteilt, d. h. rings um
den Pol wechselten positive mit negativen Anomaliegebieten (Februar, August,
September). Figuren 13 und 14 geben die Luftmassenverteilung bei stark ge-
schwächter atlantischer Luftzirkulation, wenn dieselbe auch noch im darauffolgenden
Monat erhalten bleibt. Diese Karten sind mit großer Annäherung die Spiegel-
bilder der Figuren 2 und 5: die Luftdruckabweichung am Pol ist in weitem Um-
kreis und nach allen Richtungen positiv, im Februar ist das Polargebiet erhöhten
Luftdrucks von einem geschlossenen, breiten Gürtel verminderten Luftdrucks um-
geben. In den Figuren 15 und 16 dagegen, welche die Abweichung von der nor-
malen Luftdruckverteilung im Februar und August bei geschwächter Zirkulation
und darauffolgendem Umschlag zu starker Zirkulation zeigen, finden wir wieder
rings um den Pol herum Gebiete negativer Anomalie neben solchen positiver
Anomalie, nur daß jetzt natürlich, im Gegensatz zu Bild 8 und 11, über dem Nord-
meer der Luftdruck zu hoch ist.
Betrachtet man die Figuren 1 bis 16 unter dem Gesichtspunkt der „Pen-
delungen“ der nordatlantischen Luftzirkulation um ihren Gleichgewichtszustand,
so erhält man folgendes Bild: Solange im Polargebiet — infolge irgendeiner vor-
ausgegangenen „Störung“ — in weitem Umkreis sich erheblich weniger Luft
befindet, als in dem betreffenden Jahresabschnitt „normal“ ist, bleibt die verstärkte
Luftzirkulation über dem nördlichen Atlantischen Ozean erhalten. Die atmo-
sphärische Zirkulation sucht aber den Massenmangel am Pol auszugleichen, sofern
nicht eine längere Zeit fortbestehende Verstärkung der Sonnenstrahlung bewirkt,
laß die atmosphärische Zirkulation nicht bei ihrer normalen Stärke, sondern bei
rermehrtem Luftmassenaustausch und vermindertem Druck am Pol ihren Gleich-
gewichtszustand hat, Die Polarkalotte füllt sich also immer mehr auf, Diese
Auffüllung geschieht jedoch infolge der streifenförmigen Anordnung der Zirku-
lationen und unter dem Einfluß der besonderen geographischen Verhältnisse nicht
ron allen Seiten in gleichem Maße. Dadurch und vielleicht auch durch das zeit-
weilige Auftreten labiler Zustände infolge des ständigen Zuflusses (relativ) warmer
Luft in den unteren Schichten werden, außer den mehr oder minder ständigen
Abflüssen polarer Luft im Nordwestteil der Zirkulationsgebiete, stärkere Kaltluft-
ausbrüche ausgelöst, durch welche die Polarfront, die zuerst, solange rings um
den Pol ein Luftmassendefizit bestand, weit zurückgedrängt war, an manchen
Stellen erheblich äquatorwärts vorgetrieben wird. Diese großen Kaltluftvorstöße
können aber nicht unmittelbar da stattfinden, wo große Luftmassen mit ent-
sprechender Wucht polwärts stürmen, daher treten sie im Nordmeer nicht zuerst
auf, wenn ein starkes Luftdruckgefälle Ponta Delgada—Island besteht, Die großen
Kaltluftausbrüche sind natürlich, namentlich im Winter, mit Luftdrucksteigerungen
am Erdboden verknüpft. Die Figuren 7 bis 12 belehren uns darüber, daß sie
hauptsächlich im nördlichen Asien bei Nowaja Semlja und in der Gegend der
Parry-Inseln, hier nur durch das Fehlen von Beobachtungen aus dem nördlichsten
Nordamerika nicht so klar ausgedrückt, stattfinden. Von besonderer Bedeutung
hinsichtlich der Rückwirkung auf die nordatlantische Luftzirkulation sind offen-
bar die Kaltlufteinbrüche ins nördliche Asien. Vor einem Umschlag von zu starker
zu erheblich zu schwacher Zirkulation findet sich in allen untersuchten Monaten
(Figuren 7 bis 12) ein Gebiet positiver Luftdruckanomalie im nördlichsten Asien.
Am wenigsten ist dieses im August entwickelt, vermutlich im Zusammenhang damit,
daß bei der relativ trockenen, strahlungsdurchlässigen Polarluft im Sommer über
dem Festland die unteren Schichten sehr rasch erwärmt werden. Die Wirkung
der großen Ausbrüche polarer Luftmassen auf die nordatlantische Luftzirkulation
vollzieht sich in der Weise, daß durch die Ausbreitung der Kältewellen, die von
dem vorgestoßenen Kaltluftrücken nach Westen und Osten ausgehen, die Polar-
front auch westlich und östlich des Kälteeinbruchs allmählich sich äquatorwärts
vorschiebt!), Durch den fortdauernden übernormalen Zufluß von Luft ins Polar-
gebiet in den zwischen den Kaltluftkörpern bestehenden Zirkulationsstreifen einer-
) Eine eingehendere Untersuchung hierüber wird an anderer Stelle veröffentlicht werden.