306 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, August 1926,
9 Monaten zur Geltung kommen, Es ist daher verständlich, daß die Temperatur-
abweichungen des Nordmeers nach O. Pettersson und W. Meinardus meist
lange Zeit (8 bis 12 Monate) in gleichem Sinne erhalten bleiben. ;
Derartig lange Iterationen kommen, wie die obige Tabelle lehrt, bei den Ab-
weichungen des Luftdruckgefälles Ponta Delgada--Island nur ganz selten vor.
Mit dieser Erkenntnis entsteht die Frage: Haben die häufigen Schwankungen der
Stärke der Luftzirkulation ihren Grund in sich selbst, d. h. ist eine Abschwächung
der Zirkulation eine notwendige Folge einer vorangegangenen Verstärkung der-
selben ‚im Sinne von „Aktion und Reaktion“ oder sind die Schwankungen in der
Hauptsache auf außerirdische Einflüsse, insbesondere auf Änderungen der Sonnen-
strahlung zurückzuführen? Die Beantwortung dieser Frage ist von ent-
scheidender Bedeutung, sowohl in theoretischer Hinsicht als auch in prak-
tischer, d.h. in bezug auf die Frage der Möglichkeit einer langfristigen Witterungs-
vorhersage ohne genaueste Kenntnis der mit der Strahlungsemission zusammen-
hängenden Vorgänge auf der Sonne.
Eine Untersuchung des Zusammenhanges zwischen den Schwankungen in der
Stärke der atmosphärischen Zirkulation und den quantitativen und qualitativen
Änderungen der Sonnenstrahlung scheitert zur Zeit noch an unserer durchaus
ungenügenden Kenntnis dieser Änderungen, Ob ein Zusammenhang mit den Sonnen-
Hecken besteht, soll im nächsten Paragraphen untersucht werden. Die Möglich-
keit eines Einflusses der Herabminderung der Durchlässigkeit der Erdatmosphäre
für die Sonnenstrahlung durch gelegentliche Staubtrübungen infolge kräftiger
Lockerausbrüche von Vulkanen hat A. Defant!) dargelegt. Aber mit diesen
können höchstens vielleicht so lange dauernde Anomalien wie die des Jahres 1888
und die sich daran anschließenden großen Schwankungen erklärt werden, nicht
aber die Tatsache, daß die durchschnittliche Dauer der Erhaltung des Sinnes
der Abweichung vom normalen nordatlantischen Luftdruckgefälle — unter Aus-
schaltung kürzerer, infolge fortschreitender Druckwellen hervorgerufener Schwan-
kungen durch Verwendung von Monatsmitteln — im 50jährigen Zeitraum 1874
bis 1923 nur 2.1 Monate beträgt. Daß unter „normalen“ Verhältnissen einer aus
irgendeinem Umstand heraus einmal entstandenen Verstärkung der atmosphärischen
Zirkulation nach einer gewissen Zeit eine Abschwächung folgen muß, ist an und
für sich klar; denn es ist selbstverständlich, daß ein aus seinem Gleichgewichts-
zustand gebrachtes Strömungssystem ebenso Schwankungen um seine Gleich-
gewichtslage vollführt wie jedes andere aus dem Gleichgewicht gebrachte System.
Es ist aber die Frage, ob nicht die äußeren Einflüsse auf die atmosphärische
Zirkulation so stark und häufig wechselnd sind, daß die „Pendelungen“ um die
Gleichgewichtslage als solche gar nicht mehr in Erscheinung treten. Jeden-
falls ist, auch wenn die äußeren (kosmischen) Einflüsse schwach sind, keine
Pendelung mit konstanter Periode zu erwarten, da sich ja die physikalischen
Bedingungen des Strömungssystems im Laufe des Jahres fortwährend ändern.
[Insbesondere werden auch die durch die ungleiche Wärmekapazität von Land und
Meer hervorgerufenen alljährlichen Luftmassenverlagerungen einen Einfluß auf
die Zirkulationsschwankungen ausüben. Es ist daher zweckmäßig, zunächst die
Vorfrage zu stellen und zu beantworten: Übt die Luftmassenverteilung auf
der Nordhalbkugel einen systematischen Einfluß auf die Erhaltung
bzw. Änderung der Stärke der nordatlantischen Luftzirkulation aus?
Dieser Frage kann auch unter Verwendung von Monatsmitteln nähergetreten
werden, während die genaue Erforschung der Art und Weise, wie Abweichungen
der Stärke der atmosphärischen Zirkulation nach der einen Seite solche nach der
anderen verursachen und wie diese Pendelungen durch den Luftmassenaustausch
zwischen Kontinenten und Meeren verändert werden, einer späteren Unter-
suchung unter Zuhilfenahme der Luftdruckwerte der einzelnen Tage vorbehalten
bleiben muß.
Zur Beantwortung der gestellten Frage wurde an Hand der schon in $& 5
1) A. Defant: Die Schwankungen der atmosphärischen Zirkulation über dem nordatlantischen
Ozean im 25jährigen Zeitraum 1881—1905 (Geografiska Annaler 1924, Heft 1).