Kleinere Mitteilungen,
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2, Erwiderung auf die Bemerkungen A. Defants zu meiner Abhaudlung‘
„Eur Theorie der halbtägigen Goazeiten des Atlantischen Ozeans“, Mit den
Einwänden, die Prof, Defant auf Seite 133 dieses Jahrgangs der Ann, d, Hydr.
gegen den Inhalt der eben genannten Arbeit (Ann. d. Hydr, 1926, S. 1 bis 13)
vorbringt, will er vor allem seine eigene Theorie der Längs- und Querschwingungen,
die ich abgelehnt hatte, wieder stützen. Aber seine Argumente sind nicht stichhaltig.
Defant hatte in seiner Arbeit: „Die Gezeiten des Atlantischen Ozeans und
des Arktischen Meeres“ (Ann, d, Hydr, 1924, S. 153 bis 166, 177 bis 184) behauptet,
daß sich die Atlantischen Gezeiten restlos durch Längs- und Querschwingungen
eines Kanals, den er sich am jenseitigen Ufer des Arktischen Meeres abgeschlossen
dachte, erklärbar seien. Dieser Meinung trat ich entgegen, indem ich zunächst
zeigte, daß Defants Grundannahme den Tatsachen widerspricht, indem sich an
dem sogenannten „inneren“ Ende nicht, wie Defants Auffassung es unbedingt
erfordern würde, ein Schwingungsbauch ausbildet, sondern im Gegenteil außer-
ordentlich kleine Hubhöhen zur Beobachtung kommen.
Wie Defant nach dieser Feststellung u, a. seinen rechnerischen Nachweis
einer Knotenlinie bei Island noch aufrechterhalten will, ist mir nicht verständlich,
denn dieser beruhte doch ausschließlich auf der Annahme eines Schwingungs-
bauches am inneren Ende, Meine Auffassung der Amphidromie um die Fär Öer
als einer lokalen, durch die besonders geringen Meerestiefen bedingten Erscheinung
bezieht sich. selbstverständlich auch auf die zugehörigen Gezeitenströmungen.
Gegen den von mir geführten Beweis, daß bloße Längs- und Querschwingungen
zur Darstellung der Atlantischen Gezeiten vollkommen unzureichend sind, kann
Defant keinen Einwand erheben. Wenn er wörtlich sagt: „Wenn man die
Kanaltheorie zur Erklärung der Gezeiten des Atlantischen Ozeans heranziehen
will, muß man am geschlossenen Ende des Kanals zu rechnen anfangen‘', so ist
dies in doppelter Hinsicht unzutreffend; denn erstens gibt es, wie sich gezeigt
hat, überhaupt kein im hydrodynamischen Sinne geschlossenes Ende des von
Defant betrachteten Kanals; zweitens übersieht er aber, daß meine numerische
Integrationsmethode ohne weiteres gestattet, die Rechnung an jeder beliebigen
Stelle des Kanals zu beginnen, wenn es gelingt, die beiden Integrationskonstanten
für die betreffende Stelle zu bestimmen.
Als diesen Ausgangspunkt wähle ich das Amphidromiezentrum, dessen Lage
uns ja näherungsweise bekannt ist. Dort muß jedenfalls » = 0 sein; außerdem
müssen die Integrationskonstanten so gewählt werden, daß kein Widerspruch mit
den auf den Azoren sehr genau beobachteten Amplituden besteht. - Aus diesen
beiden Annahmen berechne ich die sämtlichen Längs- und Querschwingungen, die
vom Amphidromiezentrum bis zum südlichen Ende des Atlantischen Ozeans statt-
finden müßten, wenn die Theorie zuträfe, mit aller erreichbaren Exaktheit, Das
Resultat steht nun aber mit den Boobachtungen in vollstem Widerspruch. Nicht
nur sogenannte „Feinheiten“ der Erscheinungen, wie Defant sich ausdrückt, sondern
auch die Haupterscheinungen selbst, wie z. B. die fortschreitende Welle im süd-
lichen Atlantischen Ozean blieben ganz unerklärt. Denn die Längsschwingung
erführe durch sämtliche hinzutretende Querschwingungen nicht, wie Defant meint,
eine „Modifikation“, die zu einem engeren Zusammenrücken der Flutstundenlinien
führte, vielmehr müßten sich auch beim Hinzutreten der Querschwingungen an
der Mittellinie geradezu sprunghafte Änderungen der Phase um je sechs Stunden
einstellen, wovon die Beobachtungen keine Spur zeigen,
Es bleibt also wohl kein anderer Ausweg, als die Theorie der Längs- und
Querschwingungen endgültig fallen zu lassen. Daß auch alle von Defant
aus ihr gezogenen Folgerungen, wie z. B, die Trennung der selbständigen und
der Mitschwingungsgezeit hierdurch gegenstandslos werden, ist selbstverständlich,.
Über die Art und Weise, wie Defant die von mir entwickelten Rechenmethoden
zur Anwendung bringt, möchte ich nur noch bemerken, daß man mit Querschnitten:
die {im südlichen Teil) durchschnittlich um 1000 km voneinander entfernt sind,
die numerischen Integrationen wohl nicht ausführen darf, wenn man zu brauch-
baren Ergebnissen gelangen will. Irgendwelche Hilfsrechnungen, die auf der
Annahme linearer Änderungen der Größen 4E und 4n in diesen großen Inter-
vallen beruhen, nützen da natürlich nichts,