v. Schubert, O.: Wirkungen des Reibungsunterschiedes über See und Land usw, 29279
Ein weiteres Ergebnis der Strömungskarten ist eine Konvergenz-Linie ent-
jang der Elbe bis etwa Lüneburg, Sie ist hervorgerufen durch die geringere
Reibung auf dem Fluß gegenüber dem benachbarten Land. Die größere Wind-
geschwindigkeit bedingt ein Ansaugen der langsameren Luftmassen aus der Um-
gebung. Bei der Weser ist ein solcher Einfluß nicht erkennbar, vielleicht weil
hier die Anzahl der Stationen zu gering ist.
Folgerungen aus den Ergebnissen.
Wenn es auch wie erwähnt, nicht gelang, den weit ins Land reichenden Reibungs-
aufwind, der aus den Strömungskarten gefolgert werden muß, direkt nachzuweisen,
so sprechen doch sekundäre Erscheinungen für sein Vorhandensein. Zunächst
muß die Hebung der Luftmassen über dem ganzen Gebiet vermehrte Kondensation
zur Folge haben. Der Einwand, daß es sich nicht um wirkliche, sondern um
mittlere Verhältnisse handelt, ist nicht stichhaltig. Die geschilderten Reibungs-
einflüsse sind, unabhängig von Druck, Temperatur und Feuchtigkeit, immer wirk-
sam. Ob und wieweit sie sich im Widerstreit mit den übrigen wetterbildenden
Faktoren im Einzelfall durchsetzen, hängt nur von dem gegenseitigen Kräftever-
hältnis ab, Die Tendenz der Reibung, ein solches Strömungsbild herbeizuführen,
hat mithin im Gegensatz zu anderen meteorologischen Mittelwerten physikalische
Bedeutung, Daß noch im Mittel mehrjähriger Beobachtungen ein so markantes
Strömungsbild hervortritt, beweist überdies, daß es auch in einer großen Zahl
von Einzelfällen mehr oder weniger ähnlich wirklich zustande kommt. In der
Tat zeigt ein Blick auf die Karte der jährlichen Niederschlagsmenge im Klima-
atlas, daß sich von der Küste landeinwärts ein breiter Streifen mit größerer
Niederschlagsmenge erstreckt, dessen südliche Begrenzungslinie in auffallender
Weise mit unserer Konvergenz-Divergenz-Linie übereinstimmt. (Diese Begren-.
zungslinie ist in der Übersichtskarte eingezeichnet.) Eine Bestätigung ist auch
der schmale Streifen geringeren Niederschlags am rechten Elbufer bei Glückstadt,
wo die Untersuchung höhere Windgeschwindigkeit, also geringeren Reibungsauf-
wind ergeben hat. Elbaufwärts von Glückstadt nimmt die Windgeschwindigkeit
schnell ab, so daß hier die Wirkung der Konvergenzlinie längs der Elbe voll zur
Geltung kommt. Vielleicht darf man hierauf z. T, das besonders trübe und nieder-
schlagsreiche Klima von Hamburg zurückführen.
Ob auch die östliche Begrenzung des niederschlagsreicheren Gebietes in Schles-
wig-Holstein mit einer ähnlichen Unstetigkeit des Strömungsbildes zusammenfällt,
kann nach den wenigen Stationen nicht beurteilt werden. Auch kommen hier oro-
graphische Bedingungen ins Spiel, die bei der südlichen Linie nicht vorhanden sind.
Weitere Bestätigungen für den weitreichenden Einfluß des Reibungsunter-
schiedes werden sich mit der Zeit sicher ergeben, nachdem die Aufmerksamkeit
einmal darauf gelenkt ist. So berichtet Dr. Seilkopf über eine auffallende Wetter-
scheide auf der Flugstrecke Hamburg-—— Berlin, die im vergangenen Sommer eine
Reihe von Flugzeugen zum Umkehren in der Gegend von Boizenburg gezwungen
hat. Die Konvergenz entlang der Elbe (die sich auch bei anderen Strömen ergeben
dürfte) gestattet vielleicht auch eine Erklärung für die Erscheinung, daß Gewitter
oft diesen Strom nicht überschreiten können: durch den Reibungsaufwind findet
eine beständige vertikale Durchmischung statt, so daß sich eine Überhitzung in
den bodennahen Schichten nicht ausbilden oder erhalten kann. Es erscheint auch
nicht ausgeschlossen, daß die im friesischen Küstengebiet besonders zahlreich
beobachteten Tromben mit unserer Konvergenz-Divergenz-Linie in einem Zu-
zammenhang stehen. In der Übersichtskarte sind die Bahnen der größten Wind-
geschwindigkeit der Trombe vom August 1925 nach den Arbeiten von Everdingen
und von Georgi und Markgraf eingetragen, die dieser Vermutung nicht un-
günstig sind. Mehr als Vermutungen können über solche weitergehenden Zu-
3ammenhänge vorläufig jedoch nicht ausgesprochen werden,