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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mal 1926,
Es wurden nun diejenigen Aufstiege ausgewählt, die bei Wind zwischen NNE
und ENE stattfanden und ungefähr in der Nähe des Schweizer Ufers endeten,
so daß zwei Bestimmungen von t, tz vorliegen, eine am Läutwerk zu Beginn
des Aufstiegs und eine vor dem Schweizer Ufer am Ende des Aufstiegs, :Diese
13 Fälle sind in der vorstehenden Tabelle mitgeteilt,
Man sieht, daß sowohl am Nordufer wie am Südufer des Sees die Lufttem-
peratur viel tiefer liegt als die Wassertemperatur, Die Differenzen betragen
mindestens 8°, meist aber erheblich mehr, Im Mittel ist tz-— iv: — 11.6° beim
Läutwerk, und —10.2° vor. dem Schweizer Ufer, Die Erwärmung der Luft in 2m
Höhe über dem Wasser beträgt im Mittel von der Drachenstation bis zum Läut-
werk etwa 1.7°%, von hier bis zum Schweizer Ufer etwa 2°; die Luft erwärmt sich
also beim Überwehen des Sees auf einer Entfernung von rund 11km um 37°.
Infolge dieser Erwärmung ist die Differenz t;—tw am Schweizer Ufer um 1.4°
geringer als am deutschen Ufer, Aus einer anderen Reihe von 14 Aufstiegen,
die ungefähr in Seemitte enden, ergeben sich Differenzen von ähnlicher Größe,
und zwar sind:
ty—t) tu— ty (Läutwerk), ta—tw (Seemitte)
1.9° —10,8° —10,0°%
Die Erwärmung der Luft vom Läutwerk bis zur Seemitte beträgt 1.4° und
vom Ufer bis zur Seemitte 3.4°, auf einer Entfernung von 6 bis 7 km. Zur weiteren
Prüfung der Frage kann man noch einen indirekten Weg einschlagen und die
Frage aufwerfen, ob in allen Fällen, in denen die Differenz zwischen der Tem-
peratur der Luft und des Wassers den bei Seerauch ermittelten Durchschnitts-
wert von ungefähr 10° übertrifft, auch immer Seerauch beobachtet wird. Das
scheint keineswegs der Fall zu sein. In den Jahren 1916 bis 1922 war die Differenz
ts—tw bei 57 Aufstiegen > —10°, aber nur in 25 Fällen jet Seerauch und in zehn
Fällen Nebel notiert. Wenn man auch annehmen kann, daß in einigen Fällen
Seerauch geherrscht hat, aber nicht bemerkt worden ist, bleibt doch eine Reihe
von Fällen übrig, in denen trotz sehr starker Temperaturdifferenz zwischen Luft
und Wasser doch kein Seerauch sich gebildet hat. Der Verfasser hat dies an
einigen Tagen dieses Winters selbst festgestellt. Die Ursache dafür könnte in
relativer Trockenheit der Landluft oder in anderen Faktoren zu suchen sein,
deren Einfluß bei der Seerauchbildung noch nicht bekannt ist. Daß eine gewisse
mittlere Windgeschwindigkeit notwendig ist, wurde bereits erwähnt.
Die unterste vom See angewärmte Schicht hat natürlich nur eine geringe
vertikale Mächtigkeit, Das ergibt sich aus den Fesselballonaufstiegen. Aus 30 Auf-
stiegen bei Seerauch wurden die Temperaturen in 100 m-Stufen ausgewertet und
danach folgende vertikale Temperaturgradienten ermittelt:
400/500 500/600 600/700 700/800 800/900 2900/1000 m
0.70 032 0,24 0.02 0,70 NT
Die durch die Wärmewirkung des Sees verursachte starke vertikale Tem-
peraturabnahme beschränkt sich danach nur auf eine dünne Schicht, die jeden-
falls erheblich kleiner als 100 m ist. Ihre genaue Höhe ist nicht angebbar. Mit
zunehmender Höhe nimmt der Gradient rasch ab, und geht bei 800 m in Inver-
sion über, Die Temperaturschichtung ist also, abgesehen von der untersten Schicht,
ganz stabil,
Es sind noch einige Bemerkungen zu der Kondensationsform des Seerauches
nötig. Der Seerauch kann aus Nebeltröpfchen bei Temperaturen über dem Ge-
frierpunkt, aus unterkühltem Wasser, aus Eiskörperechen oder -kristallen bestehen,
Mit der Definition Eis- oder Frostrauch will man offenbar den Spezialfall be-
zeichnen, bei dem der Nebel aus kristallinischen oder pseudokristallinischen Ele-
menten besteht. Die Ausscheidung von Eis kann unmittelbar durch Sublimation
oöder aus unterkühltem Wasser erfolgen. Nach Hellmann (System der Hydro-
meteore) entstehen Eis- oder Frostnebel, wenn der aus dem Wasser aufsteigende
Wasserdampf in der kalten Luft sofort sublimiert. Frostrauch ist über eisfreien
Stellen des Polarmeeres, über Flüssen und Seen hoher und mittlerer Breiten,
auch an Meeresküsten, wie über den norwegischen Fjorden, eine häufige Erscheinung.
Setzt sich der Frostrauch an festen Körpern ab, so entsteht Rauhfrost oder Rauh-