Defant, A,: Gezeiten und Gezeitenströmungen im Roten Meer. ! 187
Gezeitenströmungen betrifft, in ausgezeichneter Weise mit den aus den Tafeln
für die Zeit der Syzygien des Januar und für die zwölf Stunden nach Hoch-
wasser in Perim übereinstimmen. Die Schlußfolgerung, die Gedge aus seinen
Messungsergebnissen zog, daß die Gezeitenströmungen in der Straße von Bab-el-
Mandeb stets ganztägige sind, entspricht demnach nicht den Tatsachen und ist
ein aus einer nur kurzen Messungsreihe allzu voreilig gezogener Schluß. Die
ausführlichen Tabellen, die Vercelli berechnet hat, lassen erkennen, daß zur
Zeit der Nachtgleichen die täglichen Ungleichheiten am kleinsten zur Zeit der
Syzygien und am größten zur Zeit der Quadraturen sind. Deshalb kommt zu
dieser Zeit (Nachtgleichen, Quadraturen) die Gezeitenschwankung durch das
Zurücktreten der zweiten Halbtagsschwankung einer einfachen ganztägigen
Schwankung sehr nahe; zur Zeit der Syzygien ist hingegen der Halbtagscharakter
deutlich ausgebildet,
Die Zeit der Solstizien hat die größten Ungleichheiten in den Amplituden;
extreme Werte treten bei den Syzygien, die kleinsten bei den Quadraturen auf;
doch fast reine Halbtagsschwankungen, wie zur Zeit der Nachtgleichen, treten
zu dieser Zeit nicht auf, Die Messungen auf der „Stork“ fallen in die Zeit der
extremen Werte der Ungleichheit, deshalb das fast völlige Verschwinden der
halbtägigen Schwankung zu dieser Zeit.
Die Gezeitenströmungen sind einer allgemeinen Strömung überlagert, deren
mittlere Geschwindigkeit für den Zeitraum der Beobachtungen und für die ver-
schiedenen Tiefen in Tabelle 1 vor den Konstanten der harmonischen Analyse
angeführt sind. Diese allgemeine Strömung ist geschichtet: in den obersten
Schichten ist sie am stärksten, im Durchschnitt von der Größenordnung der
Gezeitenströmung . und stets gegen Norden gerichtet. In die Tiefe gehend, bleibt
diese Richtung erhalten, doch nimmt die Geschwindigkeit stetig ab, um im Mittel
bei 100 m den Wert Null zu erreichen. Darunter ist eine Strömung gegen Süden
vorhanden mit Geschwindigkeiten, die mit der Tiefe zunehmend in den boden-
nahen Schichten größere Werte erreichen als die gegen Norden gerichtete Strö-
mung der Oberflächenschichten. Nur in der neutralen Zone treten die Gezeiten-
strömungen rein auf, in den oberen und unteren Schichten überwiegt meistens
die allgemeine Strömung derart, daß die Gezeitenströmungen sich nur durch
Schwankungen in der Geschwindigkeit, nicht aber in der Richtung der Strömung
kundtun. Während der einzelnen Messungstage erreichte die allgemeine Strömung
ihre größten Werte in den ersten Tagen bei sehr starken SO-Winden; mit Nach-
lassen der Windstärke ließ jedesmal auch die Stärke der allgemeinen Strömung
nach. Die beobachteten Werte dürften als typisch für die allgemeine Strömung
der Wintermonate November bis April anzusehen sein. Beim Übergang vom
Wintermonsun (SO-Winde) zum Sommermonsun (NW-Winde), d. ji. in den Monaten
Mai und Oktober, dürfte die allgemeine Strömung sehr klein werden, um in den
Sommermonaten Juni— September eine Richtung gegen Süden, vom Roten Meer
gegen den Golf von Aden anzunehmen. Messungen zur Feststellung dieser Ver-
hältnisse konnten keine vorgenommen werden, Als mittlere Geschwindigkeiten
der allgemeinen Strömung nimmt Vercelli folgende provisorische Werte an:
Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept, Okt, Nov. Dez.
+80 +80 +50 -+50 0 —30 —50 —50 —30 0 +70 +80 cm sec—L
März: 80 em sec—1 bei starken Winden, 50 bei schwachem Wind.
April: von 50 cm sec—1 abnehmend auf Null. ;
Oktober: rasch zunehmend während des Monats,
Erst die Zusammenfassung der allgemeinen Strömung und der Gezeiten-
strömung gibt die effektive Strömung an einer bestimmten Stunde eines Tages,
In der Straße von Bab-el-Mandeb wurden noch an zwei weiteren Stationen
(Nr. 82 und 83) Strommessungen ausgeführt und zwar vom 15.—17. Dezember
östlich von Ras Dumeira und vom 18.—20, Dezember 1923 östlich der früheren
Station, über dem unterseeischen Rücken, der sich von Perim gegen Nordwesten
hinzieht. Beide Stationen liegen auf einem Querschnitt etwa 5 Sm nördlich der
Station mit 15tägigen Beobachtungen (Nr. 120). Ein Vergleich des an diesen
Stationen ermittelten Verlaufes der Strömungsschwankungen mit den an der