172 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, April 1926.
Wänden dieses Kastens Schaugläser mit senkrechten Fäden zum Anvisieren
irdischer und himmlischer Objekte.
Während dergestalt die Entwicklung des Kompasses in Europa einen ziem-
lich beträchtlichen Weg zurückgelegt hatte, war sie in China, Japan und den
angrenzenden Ländern mehr oder weniger stillgestanden und über die Form der
calamita Jahrhunderte hindurch nicht hinausgekommen, wenigstens liegen keine
Berichte vor, die auf eine gegenteilige Auffassung hindeuten könnten, Es wäre
auch sonst nicht verständlich, daß Marco Polo, der im 13, Jahrhundert auf
chinesischen Schiffen große Seereisen unternommen hatte, bei seinen sonst aus-
führlichen Reisebeschreibungen den Kompaß vergessen haben .sollte, Begünstigt
ist das Zurückbleiben zweifellos durch die günstigeren Wetterverhältnisse und
durch die bereits im Anfang. hervorgehobene ausgesprochen konservatiye Art
des Orientalen, die ihn auch wohl, nachdem die bereits verbesserte Einrichtung
des Kompasses von Europa aus über Arabien und Indien vorgedrungen war,
diese nur zögernd annehmen ließ, An der allmählichen Verbreitung eines ge-
brauchsfähigen Schiffskompasses im fernen Osten hat die Ostindische Compagnie
späterhin sicher zu einem nicht geringen Teil beigetragen.
Bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts blieb das System des Ein-
nadelkompasses dominierend. Mit der Verwendung des Eisens als Schiffbau-
material kam nun aber ein ganz neues Element als Fehlweisung des Kompasses
zu der bereits vorhandenen Mißweisung hinzu: die durch das Auftreten von
magnetischen Polen im Schiffskörper hervorgerufene Örtliche Ablenkung, ab-
hängig von Kurs und Schiffsort. Die Ausschaltung bzw. Abschwächung dieser
Ablenkung, Deviation genannt, die ganz beträchtliche Werte annehmen kann, konnte
beim Einnadelkompaß aus bestimmten Gründen, die jedoch erst die durch Poisson
1824 begründete und späterhin namentlich durch Archibald Smith in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgebaute Deviationslehre richtig erkannte,
hur ungenügend sein; die damaligen Versuche in dieser Hinsicht hatten keinen
Erfolg, und nachdem verschiedene Kriegsschiffe (darunter auch der englische
Kreuzer „Thetis“) infolge derartiger ungenügender Kompensationen verloren
gegangen waren, mußte man ernstlich darauf bedacht sein, gründlich Wandel
zu. schaffen,
Es ist das Verdienst der britischen Admiralität, hier bahnbrechend voran-
gegangen zu sein durch die 1820 erfolgte Berufung einer bekannten Autorität
auf dem Gebiete des Magnetismus, des Professors Barlow, der den Auftrag
erhielt, die Kompaßverhältnisse eingehend zu untersuchen. Auf Grund der hier-
über verfaßten Berichte wurde dann 1838 das bereits oben erwähnte Compass
Committee zusammengerufen, Das Ergebnis der Beratungen sowie der praktischen
Versuche und theoretischen Rechnungen war dann der sogenannte Normalkompaß
der Britischen Admiralität (Admiralty Standard Compass), der erste Viernadel-
Kompaß, der unter Berücksichtigung mechanischer und magnetischer Gesetze ge-
baut war. Er ist denn auch lange Zeit hindurch fast ausschließlich an Bord
eiserner Schiffe im Gebrauch gewesen, bis er durch den 1877 von Sir William
Thomson konstruierten Kompaß, der das Prinzip der ganz leichten Rosen, nur
etwa 7 Gramm, mit acht dementsprechend kleinen Nadeln verkörpert, mehr und
mehr aus der nautischen Praxis verdrängt wurde. Auch die deutsche Marine besaß
einen Normalkompaß, der zuerst an Bord späterhin nur noch für Vermessungs-
zwecke verwendet wurde. Veranlaßt durch den Untergang des eisernen Schiffes
„Tayleur“ (1854) wurde abermals eine Kommission ins Leben gerufen, das 8o-
genannte Liverpool Compass Committee, das von 1854—1864 bestanden und drei
wertvolle Berichte verfaßt hat.
Die Einführung eines Kompasses mit leichten Rosen und kleinen Magneten
erfolgte, da der Normalkompaß die Hauptvoraussetzung für eine nach einfachen
Gesetzen arbeitende Deviation infolge der Größe seiner Nadeln nicht mehr
erfüllen konnte und da ferner die im Gefolge der immer mehr zunehmenden
Verwendung der Maschinenkraft zum Betriebe der Schiffe auftretenden Vibra-
tionen der Verwendung schwerer Rosen — die Normalrose wog rund 110 Gramm —
entgegenstanden, weil hiermit eine vorzeitige Abnutzung von Pinne und Stein