Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Januar 1926,
Längsschwingung mit der Epoche 4% hinzukormmen, von der. Eigenschaft, daß
ihre Knotenlinien im südlichen Teil gegen jene der 1b-Schwingung um ungefähr
ein Viertel einer Wellenlänge verschoben wären, Eine solche ließe sich
aber, wie man sieht, auf dem bis jetzt eingehaltenen Wege, nämlich aus der
Theorie bloßer Längs- und Querschwingungen bei der notwendigen Festhaltung
einer Knotenlinie durch das Amphidromiezentrum absolut nicht erklären.
Damit ist in einwandfreier Weise gezeigt, daß die halbtägigen Gezeiten-
erscheinungen des Atlantischen Ozeans nicht einmal näherungsweise
durch bloße Längs- und Querschwingung en, die in der Einwirkung der
fiuterzeugenden Kräfte und dem Mitschwingen ihre Ursache hätten, darstellbar
sind, Wenn A. Defant eine solche Darstellbarkeit behauptet, so können seine
bezüglichen Ergebnisse nur auf unrichtigen Voraussetzungen und Ungenauig-
keiten der Rechnung beruhen,
Über die ganztägigen Tiden besitzen wir heute noch viel zu wenige Beob-
achtungsdaten, um auch für sie eine analoge Untersuchung durchführen zu
können. Daß Defants Resultate auch hier nicht zutreffen können, ergibt sich
schon aus unseren einleitenden Bemerkungen.
VL Der tatsächliche Schwingungsvorgang. Wir stellen uns nun auf einen
allgemeineren Standpunkt, indem wir nicht von vornherein nur Längs- und Quer-
schwingungen.in Betracht ziehen, sondern den wirklich eintretenden Schwingungs-
vorgang erst auf Grund der Beobachtungen feststellen wollen.
Unter der direkten Einwirkung der fluterzeugenden Kräfte, dem Mitschwingen
mit den Nachbargebieten und dem Einfluß der Erdrotation werden sich jeden-
falls bestimmte stehende Wellen ausbilden müssen, die den Charakter erzwun-
gener Schwingungen an sich tragen. Welche Form diese stehenden Wellen an-
nehmen, hängt aber nicht allein von den einwirkenden Kräften, sondern wesentlich
auch von der Gestalt und den Dimensionen des in Schwingung geratenden
Beckens ab. Wenn die Periode der langsamsten freien Schwingung des Beckens
kleiner als die der einwirkenden Kraft ist, wird die Oberfläche einfach den
Neigungen der Niveaufläche (mit etwas vergrößerten Amplituden) folgen. Im
anderen Fall wird sich aber eine von den Neigungen der Niveaufläche
ganz verschiedene Öberflächenbewegung einstellen, die dann ihrer Form nach
eher einer freien Schwingung nahekommt. Wir werden sehen, daß letzteres auch
im Atlantischen Ozean großenteils der Fall ist.
Der allereinfachste Fall erzwungener Schwingungen ist in Lambs „Hydro-
dynamik“ (8 178) besprochen. Er betrifft einen regelmäßigen Kanal von der
Länge ] und der Tiefe h, in dessen Längsrichtung eine gleichförmige periodische
Kraft X = f cos (et + £) einwirkt, Als Integral der die Schwingungen charakteri-
sierenden Differentialgleichung ergibt sich in diesem Falle
$ == Ba A cos (ot +),
el €
FC C08 3 €
WO 6 = fgh ist. Da og = Mn ist, wenn T die Periode der einwirkenden Kraft be-
deutet, so erkennt man, daß die Knotenlinien der entstehenden Schwingung
durch die Beziehung et
X le kı
festgelegt sind, in der k eine beliebige ganze Zahl bedeutet, Die einzelnen
Knotenlinien haben also von der in der Mitte des Kanales entstehenden genau
den gleichen Abstand wie bei freien Schwingungen eines Kanals gleicher
Tiefe, dessen Eigenperiode ein ungerades Vielfaches von T ist. Die Amplitude
der Schwingung hängt vom ersten Faktor des £, somit, wie man sieht, von der
Entfernung der äußersten Knotenlinien von den Enden des Kanales ab.
In den in der Natur vorkommenden komplizierten Fällen kann die Inte-
gration der hydrodynamischen Differentialgleichungen nicht durchgeführt werden,
Wir können aber wohl annehmen, daß auch hier der gegenseitige Abstand
zweier Knotenlinien nicht sehr wesentlich davon abhängen wird, ob es sich
um freie oder um erzwungene Schwingungen mit der gegebenen Periode handelt.
Diese Voraussetzung legen wir den folgenden Ausführungen zugrunde,