Busch, W.: Die Entwicklung des Schiffskompasses in Sage und Geschichte, 125
Windgötter, Hoheits- und Familienwappen), aus welch letzteren hervorgeht — wenn
man sie als die der Verfertiger ansieht, was man mit gutem Recht wohl tun
darf —, daß die Kunst der Herstellung nicht nur in den Hafenplätzen, sondern
auch in den Städten des Binnenlandes geübt wurde; es muß demnach nicht nur
die Seefahrt, vielmehr auch das eine oder das andere Gewerbe an Land auf die
Benutzung von Kompassen angewiesen gewesen sein. Unter den verschiedenen
Ländern hat — jedenfalls im 14. und 15. Jahrhundert — Italien den Hauptteil
an der Produktion. ;
Erst im 16. Jahrhundert greift dann allmählich mehr und mehr eine Be-
zeichnung der Striche (= „Wind“, also !/, Strich = !/, Wind), ähnlich der heutigen,
Platz, und zwar für die Hauptstriche Nord, Ost, Süd, West zuerst, dann für die
Zwischen- und Nebenstriche. Vom Ende des 14. Jahrhunderts an beginnt der
Nordstrich der Rose die noch heute vielfach gebräuchliche charakteristische Form
einer stilisierten Lilie zu zeigen, die oft genug auch als Wappen eines Kompaß-
bauers angetroffen wird. Dies hat verschiedene, namentlich französische Forscher
veranlaßt, den Kompaß für eine französische „Erfindung“ zu erklären. Die Lilie
als Bezeichnung des Nordstriches macht erst in neuester Zeit wieder einer be-
sonderen Ornamentik Platz als Umrahmung für das Warenzeichen der her-
stellenden Firma. Auch der Oststrich genoß sehr häufig den Vorzug einer be-
sonderen Bezeichnung, meistens in Form eines einfachen oder stilisierten Kreuzes,
aus welchem Grunde, ist nicht recht ersichtlich, Wahrscheinlich jedoch sind es
religiöse Beweggründe gewesen, da mit dem Kreuz das aus dem Osten gekommene
Christentum symbolisiert wurde, Bei dem auch den Seefahrern eigentümlichen
Konservativismus darf es daher nicht überraschen, wenn diese Sonderbezeichnung
des Oststriches, obgleich in teilweise veränderter Form, erst seit einigen Jahr-
zehnten verschwunden ist; auf dem OÖststrich der Rose eines italienischen Kom-
passes von 1910 findet sich sogar noch ein reines Kreuz.
Einen recht guten Beitrag für die Forschung in bezug auf die Entwicklung
des Kompasses liefern auch die gezeichneten und geschriebenen „portolane“ jener
Zeit, unsere heutigen Seekarten und Segelhandbücher, aus denen ersehen werden
kann, daß im 14. Jahrhundert die feste Verbindung zwischen Magneten und Rose
anfing, sich durchzusetzen, um im nächsten Jahrhundert mehr und mehr die Regel
zu werden. Lediglich für Vermessungszwecke an Land und im Bergbau wurde
das System der über einer Gradteilung spielenden Nadel beibehalten, das für
dieselben Zwecke auch noch heute im Gebrauch ist.
Als Schutz für den Kompaß oder vielleicht richtiger für die durch die Ver-
bindung Magnet-Rosenblatt verbesserte Bussole gegen die Bewegungen des Schiffes
im Seegang wurde anfangs, um 1300 herum, wahrscheinlich nur ein Bügel mit
drei Ösen benutzt, von denen eine in der Mitte zum Tragen, zwei an der Seite
zum Halten dienten. Die Verbindung mit dem Schiff vermittelte dann ein be-
sonderes Gestell, ein Haken über dem Deck des Schiffes oder in einem dem be-
sonderen Zweck angepaßten kleinen Haus, Kompaßhaus oder auch Nachthaus,
Mit dem Bügel war der Rosenbehälter durch Ösen und Haken, späterhin auch
wohl durch Zapfen und Lager verbunden, bis schließlich an die Stelle dieser
Aufhängungsart die kardanische Aufhängung trat.
Die erste Erwähnung der kardanischen Aufhängung, der Aufhängung in
zwei konzentrischen Ringen mit um 90 Grad jeweils versetzten Lagern, die in
jeder Richtung eine freie Beweglichkeit gestattet, stammt aus dem Jahre 1537;
sie muß indessen bereits früher bekannt und benutzt worden sein, — Cardanus,
nach weichem die Aufhängung benannt ist, lebte von 1501 bis 1576 —, da es
merkwürdig erscheint, daß dies erst geschehen sein soll etwa 150 Jahre später,
nachdem die Verbindung von Magnet und Rosenblatt zuerst erwähnt ist. Unter
den Zeichnungen Leonardo da Vincis findet sich denn auch, 1500, die eines
Zapfengehänges, allerdings nur für ein Wasserschöpfwerk. Hiermit stimmt
ziemlich gut überein die Aufführung von „Kompassen“ und „Segelsteinen“ (Magnet-
steinen) im Inventarverzeichnis eines 1460 von den Dänen gekaperten Danziger
Schiffes, sowie die Angaben über Erwerb von Kompassen in alten Hamburger
Kämmereirechnungen aus den Jahren 1435 und 1461. Da der Begriff „Kompaß“