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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 54 (1926)

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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, März 1926, 
steuert haben und erst das letzte Jahrhundert hat begonnen, hierin Wandel zu 
schaffen, 
Gegen Ende des 9. Jahrhunderts scheint die Kenntnis der Eigenschaften des 
Magnetsteins an den östlichen Gestaden des Mittelmeers bei den Arabern vor- 
handen gewesen zu sein, wenigstens deuten hierauf einige, wenn auch nicht ganz 
sindeutige Stellen in Werken zeitgenössischer Schriftsteller hin, einwandfreie 
Quellen sind jedoch nicht vorhanden. Aus diesem Grunde ist es auch müßig, 
Untersuchungen darüber anzustellen, ob die Kenntnis der magnetischen Richt- 
kraft von den Chinesen auf die Araber überkommen ist oder evtl, umgekehrt, 
Die Schriftsteller jener Zeit berichten überhaupt nichts über die Hilfsmittel der 
Schiffsführung. Das Vorkommen von Magnetstein muß an oder nahe den Küsten 
Arabiens schon früher bekannt gewesen sein, es kann also auch dort dessen 
Richtkraft unabhängig von anderen Völkern bemerkt worden sein, 
Was die Kenntnis der magnetischen Richtkraft bei den europäischen Völkern 
des Mittelmeeres sowie bei den nordischen Völkern während der ersten Jahr- 
hunderte christlicher Zeitrechnung anlangt, so kann angenommen werden, daß 
sie vorhanden und auch benutzt wurde. Kine Stütze findet diese Annahme 
durch die Tatsache ausgedehnter Seereisen bereits in diesen frühen Zeiten, nach- 
zuweisen ist sie jedoch ebenfalls nicht. Da auch im nördlichen Europa Magneteisen- 
stein vorkommt, so kann natürlich auch hier die Richtkraft selbständig gefunden 
worden sein; vielleicht haben auch erst die Normannen, das erste Seefahrervolk 
jener Zeit, diese Kenntnis im 9. u. 10. Jahrhundert von ihren Reisen ins östliche 
Mittelmeer mitgebracht. Schließlich besteht auch noch die Möglichkeit, daß 
diese Kenntnis auf dem Landwege vom Schwarzen Meer entlang den großen 
russischen Strömen nach dem Norden gelangte. Authentische Belege sind indes 
für keine Annahme vorhanden. Von den übrigen Erdteilen sind aus dieser 
frühen Zeit überhaupt keine Angaben, weder der Sage noch Geschichte, vor- 
handen, die auf eine Kenntnis magnetischer Eigenschaften gewisser Steine hin- 
deuten, Vielleicht gelingt es einer späteren Forschung, hierin Licht zu schaffen. 
Daß die Spuren in dieser Hinsicht so spärlich sind, mag darauf zurückzuführen 
gein, daß wohl vielfach die Kenntnis der magnetischen Richtkraft als Geheimnis 
streng behütet und nur von Mund zu Mund vererbt wurde, nicht nur unter den 
nordischen, sondern auch unter den Seefahrern des Mittelmeers, Es kann daher 
auch immer wieder nür angenommen werden, daß die Anfänge zum Kompaß in ver- 
schiedenen Gegenden von verschiedenen Männern gemacht wurden, sie wurden 
nachgeahmt, verbessert, die Verbesserungen wieder nachgeahmt; niemand fragte 
viel, wer ist oder wer war der Erfinder. 
Die ersten, geschichtlich belegten Angaben über die Verwendung der magne- 
tischen Richtkraft stammen aus dem Ende des 12. und dem Anfang des 
13. Jahrhunderts. Hier sind es namentlich die Italiener und unter ihnen vor- 
zugsweise die Amalfianer — Amalfi eine Stadt in Süditalien —, die die Kenntnis 
der Richtkraft des Magneten auf ihren Reisen nach Syrien und Ägypten praktisch 
benutzten. Aus den Niederschriften jener Epoche ist jedoch leider ebenfalls 
wenig oder gar nichts zu ersehen über die Herkunft dieser Kenntnis, Die 
„Erfindung“ des Kompasses wurde lange Zeit hindurch von spätmittelalterlichen 
Schriftstellern einem gewissen Flavio Gioja aus Amalfi zugeschrieben. Zufolge 
neuerer Forschungen scheint indessen nur festzustehen, daß um 1300 ein Amalfianer, 
dessen Name nicht bekannt ist, Verbesserungen ersonnen hat, um der Richtkraft 
des Magneten bezüglich ihrer Wirkung günstigere Bedingungen zu schaffen. 
Geht man der Sache nämlich etwas tiefer auf den Grund, so ergibt sich, daß, 
wahrscheinlich weder Gioja der Name des Erfinders noch Gioia, im früheren 
Königreich Neapel, der Ort der Erfindung ist, sondern daß mit „Gioia“ 
dem italienischen Ausdruck für kostbares Gestein oder Kostbarkeit schlechthin, 
lediglich der in bezug auf die Schiffsführung hohe Wert des Nord zeigenden 
Magneten bezeichnet wird, Da die Franzosen den Magnetstein auch wohl. „pierre 
A’aimant“ nennen, so mag in dieser Verbindung vielleicht auch der Ursprung 
des Wortes Diamant zu suchen sein, geprägt von Gelehrten jener Zeit, die die 
Bezeichnung des in der Schiffahrt für am wertvollsten gehaltenen Gegenstandes,
	        
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