Busch, W.: Die Entwicklung des Schiffskompasses in Sage und Geschichte, i21
9. Die Entdeckung, daß Stahl oder gehärtetes Eisen polarmagnetisch
gemacht werden kann, indem man es mit Magneteisenstein bestreicht oder
in dessen Nähe bringt,
Die Entdeckung, daß der Magnetstein oder das magnetisierte Eisen, 8o-
bald es derart gestützt oder aufgehangen ist, daß es nach allen Seiten
frei drehbar ist, die Eigenschaft besitzt, eine bestimmte Richtung anzu-
zeigen, indem er stets einen bestimmten Winkel mit der Nord-Süd-
Richtung bildet.
Die Erkenntnis, daß sich die magnetisierte Nadel als Kompaß, als
Richtungsweiser, benutzen läßt.
Von keiner dieser vier Stufen ist bekannt, wann, wo und von wem sie zuU-
erst bemerkt und benutzt wurde, Die Sage erzählt nur von einem Schäfer mit
Namen Magnes, dessen eisenbeschlagene Schuhe an solchem Gestein hafteten,
ferner von einer Insel, von der bei Annäherung der Schiffe deren eiserne Nägel
herausgezogen wurden; von einer Stadt Magnesia in Klein-Asien usw. Plutareh
spricht in seinen Schriften allerdings von polar-magnetischen Eigenschaften,
nimmt aber keinen Bezug auf die oben erwähnte zweite Stufe, Die polar-
magnetische Eigenschaft wird auch bereits im Talmud erwähnt,
Obgleich die Ägypter zwischen 3000 bis 2000 v, Chr. anschließend die
Phönizier, ziemlich ausgedehnte Seefahrt, wenn such in der Hauptsache wohl
nur Küstenschiffahrt betrieben, die die ersteren bis nach Kreta, die letzteren bis
nach den „Säulen des Herkules“ und darüber hinaus führte, findet sich doch in
keinem der über einige dieser Fahrten erhaltenen Berichte die Erwähnung eines
Instruments, das irgenwie als, wenn auch noch so primitiver Vorgänger unseres
heutigen Kompasses gedeutet werden könnte,
Die ältesten Urkunden über die Benutzung der Richtkraft eines Magneten
besitzt zweifellos China. Hier wurde sie nach ihrem Bekanntwerden benutzt auf
längeren Reisen in unwirtlichen Gegenden in Form von kleinen, wohl mehr spiel.
zeugähnlichen sogenannten „magnetischen Wagen“, in deren Vorderteil nach
Süden, die Hauptrichtung der Chinesen, zeigende Figürchen angebracht waren
(Sze-nan == Südweiser). Wahrscheinlich wurden derartige Wagen von den Führern
der Reise- und Heerzüge mitgeführt und bezüglich der einzuschlagenden Weg-
richtung zu Rate gezogen. Gegen die Annahme mancher Seite, daß es sich hierbei
um Wagen normaler Größe gehandelt hätte, spricht der Umstand, daß die nur
geringe Richtkraft des Magneten wohl kaum ausgereicht haben dürfte, die im
Verhältnis schwere Figur bei den Stößen des Wagens in der Südrichtung zu
halten; in dieser Richtung angestellte Versuche haben denn auch ergeben, daß
von dem Einhalten einer festen Richtung keine Rede sein kann.
Aus dem dahre 121 n. Chr, liegt der älteste, geschriebene Beweis vor; wenn
man jedoch bedenkt, daß bereits die Sage die Benutzung von „Magnetischen
Wagen“ erwähnt und überdies das Festhalten des Chinesen an der Überlieferung
in Betracht zieht, so ist es kaum sehr gewagt anzunehmen, daß die Kenntnis
der Richtkraft des Magnetsteins oder eines Magneten in China und auch sehr
wahrscheinlich in Japan, bereits mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung
bekannt war, wenn auch vielleicht wohl mehr für Zwecke der Zauberei und
Gaukelei als für praktische Zwecke, Sogenannte Zauber-Bussolen und astrolo-
gische Bussolen sind denn auch noch heute in China vorhanden, Nach Klaproth
soll die Magnetnadel bereits 2635 v. Chr, (!) verwendet worden sein,
Es hat indessen noch Jange Zeit gedauert, bis die magnetische Richtkraft
auch an Bord von Schiffen benutzt wurde, Aus dem Jahre 413 mn. Chr. liegt
der Bericht eines chinesischen Pilgers Fa-hien vor über eine Reise von Indien
nach China, aus dem hervorgeht, daß der Gebrauch einer Art Kompaß noch
unbekannt war, da die Schiffsführung ihren Weg vollständig verloren hatte und
weitab verschlagen worden war,
Erst im letzten Teil des 11. und Anfang des 12, Jahrhunderts konnte die
chinesische Schiffsführung durch Einführung der „Südweisenden Nadel“ erheb-
lichere Fortschritte machen, zu einer allgemeinen Einführung scheint es
jedoch nicht gekommen zu sein; meistens wird man nach den Gestirnen ge-
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