Myrbach, O.: Das Atmen der Atmosphäre unter kosmischen Einflüssen, 95
ermöglichen. Eine Art der Mittelbildung läßt sich allerdings bei einer der-
artigen Untersuchung nicht vermeiden, nämlich die zur Ausgleichung notwendige.
Wenn wir die Veränderungen der „Großwetterlage“* untersuchen wollen, müssen
wir von den Einflüssen der „Kleinwetterlage“ absehen, Zur Vermeidung von
Mißverständnissen sei hervorgehoben, daß ich die Ausdrücke „Groß- und Klein-
wetterlage“ hier in anderem Sinn verwende als Castens!), Was er als „Groß-
wetter“ bezeichnet, fällt nach meiner Definition noch unter den Begriff „Klein-
wetter“, Unter dieser „Kleinwetterlage“ seien alle Erscheinungen begriffen, die
mit den wandernden Druckgebilden in Zusammenhang stehen, also das tägliche
Wetter der gemäßigten und höheren Breiten mit seinem kurzperiodischen Wechsel,
Diese wandernden Zyklonen und Antizyklonen wollen wir bloß als große Durch-
mischungsapparate der Atmosphäre betrachten, welche den hier zu studierenden
Atmungsmechanismus unterstützen. Wenn wir beispielsweise bei einer bestimmten
Atmungsphase davon sprechen werden, daß die Luft von den umliegenden Meeren
ins Festland einsträmt, so ist damit natürlich nicht gemeint, daß dies buchstäblich
an jeder Stelle zutrifft. Eine gerade durchziehende Depression kann an vielen
Stellen die gegenteilige Wirkung erzielen, Es soll vielmehr heißen: Wenn wir das
ganze Zirkulationssystem der wandernden Depression in Betracht zögen, so würde
sich dabei ein Überschuß der Luftversetzung in dem erwähnten Sinne ergeben, Die
Berechtigung zu dieser Abstraktion von der Kleinwetterlage (wir können sie jetzt
auch als „Störungen“ bezeichnen) muß zugegeben sein, bevor. wir weiter gehen,
Denn in der ganzen vorliegenden Arbeit wird nur mehr von den Erscheinungen
der (nach Elimination der Kleinwetterlage übrigbleibenden) Großwetterlage die
Rede sein.
Es dürfte mit dem heutigen Beobachtungsmaterial noch nicht möglich sein,
den Übergang von der winterlichen Wetterlage zur sommerlichen eingehend fest-
zulegen. Darum dürfte es die Arbeit erleichtern, wenn wir zunächst ein hypo-
thetisches Schema für diesen Übergang entwerfen,
Wir gehen von der bekannten Tatsache aus, daß Land eine geringere spe-
zifische Wärme hat als Wasser, sich daher bei steigender Einstrahlung rascher
erwärmt als das benachbarte Meer. Umgekehrt bei überwiegender Zunahme der
Wärmeausstrahlung. Nehmen wir zunächst atmosphärisches Gleichgewicht als
Ausgangsstadium und winterliche Verhältnisse an,
A, Auf dem Festlande fällt die Temperatur rascher als auf dem Meere. Die
dem Lande aufliegenden Luftschichten kühlen sich durch Wärmeleitung und
Ausstrahlung ab und ziehen sich zusammen. Die Zusammenziehung muß nach
allen Seiten eine Saugwirkung ausüben. Die Meere werden Luft abgeben müssen
und außerdem wird die Luft über dem Festlande herabzusinken beginnen. Die
Kontinente atmen ein,
Durch das Absinken muß in großen Höhen über dem Lande ein Luftmangel,
eine Depression entstehen,
B. Zur Ausfüllung der hohen Depression über dem Lande strömt in großen
Höhen die Luft von den Meeren landwärts, Am Boden hat sich schon ein Land-
Meer-Gradient ausgebildet, der die weitere Zufuhr von Seeluft in den unteren
Schichten unterbindet. Der Druck über dem Lande steigt weiter wegen der Auf-
Füllung der hohen Depression, Er fällt über den Meeren, Die Temperatur
erreicht in diesem Stadium auf dem Lande ihr Minimum.
C. Über dem winterlichen Ausstrahlungszentrum des Festlandes ist infolge
der Einatmung (erst unten, dann oben) eine mächtige Antizyklone, also Über-
druck gegenüber der Umgebung, entstanden, Die kalte Luft bricht unten aus
und ergießt sich auf die umgebenden Meere, namentlich in niedrigere Breiten,
weil die dortige warme Luft den geringsten Widerstand leistet. In dem vom
Kälteeinbruch betroffenen ozeanischen Gebiet steigt der Druck, und die Tem-
peratur fällt, Über dem Lande beginnt neuerdings Nachsinken aus der Höhe,
also Temperaturanstieg der sich adiabatisch erwärmenden Luft und gleichzeitig
Druckfall. Die Kontinente atmen aus.
D. Das Einströmen der kalten Kontinentalluft in die über den Meeren liegende,
4 Ann. d. Hydr, usw. 1924, S. 130.