Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1930.
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den Grad der Sturmhäufigkeit nach Prozenten der Beobachtungen zeigen. Für
die Arbeiten des Ausschusses der Londoner Freibordkonferenz, der die Zonen
festlegte, dienten diese Karten mit als Unterlage.
Eine weitere umfangreiche Arbeit im Berichtsjahr bildet das „Dampfer
handbuch für die Ostsee“, dessen Erscheinen bevorsteht. Die zahlreichen
auf Stromversetzungen zurückgeführten Strandungen in der Ostsee veranlaßten
die Deutsche Seewarte, eine Reihe von Untersuchungen darüber anzustellen, wie
Stromversetzungen in der Ostsee entstehen können. Bei den stark gegliederten
Küsten der Ostsee ist es nicht einfach, sich ein Bild darüber zu machen, wie die
gerade herrschende Oberflächenströmung zustande kommt. Aber bei Berück
sichtigung der Wetterlagen vorhergehender Tage des gesamten Gebietes der Ost-
und Nordsee war es in allen untersuchten Strandungsfällen möglich, eine Erklärung
für die Stromversetzung zu finden. Um diese Ergebnisse den Ostseefahrern in
der zweckmäßigsten Form zugänglich zu machen, beschloß die Deutsche See
warte, ein Dampferhandbuch für die Ostsee herauszugeben, in dem etwa 130 der
wichtigsten Dampferwege beschrieben sind, wobei auf voraussichtlich entgegen
tretende Gefahren hingewiesen wird. Die untersuchten Strandungsfälle wurden
bei den einzelnen Wegen eingefügt. Der allgemeine Teil dieses Buches enthält
Darstellungen über Mißweisung, Wind und Wetter, die im vorigen Absatz
erwähnte Arbeit über Sturmhäufigkeit in der Ostsee, Besteckversetzungen, Eis
dienst und Eisverhältnisse und anderes mehr in ähnlicher Form, wie es bei den
anderen von der Deutschen Seewarte herausgegebenen Dampferhandbüchern der
Fall ist.
Eine dritte Arbeit war die Einrichtung eines neuen meteorologischen
Tagebuchs. Die Seeobsschiffe, die funkentelegraphische Wettermeldungen zur
Verwendung für den Wetterbericht abgeben, führten neben dem meteorologischen
Tagebuch noch ein besonderes Seeobstagebuch. Der schon länger bestehende
Wunsch, diese beiden Bücher zu verschmelzen, konnte verwirklicht werden, nach
dem ein einheitlicher Schlüssel für Wettertelegramme auf der internationalen
meteorologischen Konferenz in Kopenhagen festgelegt war. Das neue Formular
unterscheidet sich von dem bisherigen Tagebuch besonders dadurch, daß die
einzelnen Spalten in der Reihenfolge, wie der Wetterschlüssel die Angaben ver
langt, angeordnet sind. Von großer Wichtigkeit ist die Angabe der Greenwich
zeit der Beobachtung, die im alten meteorologischen Tagebuch nicht vorgesehen
war, nicht nur für die Seeobstelegramme, sondern auch für die später auszu
arbeitenden synoptischen Wetterkarten für den Nordatlantischen Ozean, worauf
bereits im Jahresbericht 1928 S. 14 hingewiesen wurde, und ferner für die
Beobachtungen aller für die Deutsche Seewarte arbeitenden Schiffe in dem Polar
jahr 1932/33, wo die Gleichzeitigkeit der Beobachtungen sichergestellt sein muß.
Aus diesem Grunde werden nach und nach alle Schiffe mit dem neuen Formular
ausgestattet, wenn das bisherige aufgebraucht ist.
Die vierte umfangreiche Arbeit betraf die Organisation des Lochkarten
verfahrens, der Auswertung der Tagebücher durch Maschinen. Im Jahres
bericht für 1928 S. 13 war gesagt: „Die maschinelle Auswertung der Beobach
tungen auf See ist der Ausblick, der sich zu Beginn der zweiten Hälfte eines
Seewartenjahrhunderts bietet, und es wird unsere Mitarbeiter zur See mit Be
friedigung erfüllen, wenn sie sehen, daß ihre Beobachtungen der Schiffahrt, der
Luftfahrt und der wissenschaftlichen Forschung zugute kommen.“ Diese Richtlinie
wurde weiter verfolgt. Es wurden 50000 RM in den Etat eingesetzt, und durch
Zuweisung eines Nautikers konnten die nötigen Vorarbeiten begonnen werden.
Aber leider wurden die Mittel vom Reichstag abgelehnt, trotzdem die ganze
Schiffahrtswelt dringend die Notwendigkeit der Auswertung der auf See gemachten
Beobachtungen betont hatte, und die Regierung sich mit Nachdruck dafür ein
gesetzt hatte. Die Deutsche Seewarte wird aber dennoch auf die Einführung
dieses Systems hinarbeiten, weil es die einzige Möglichkeit ist, auf dem raschesten
und vorteilhaftesten Wege die Seebeobachtungen so zu erschließen, daß sie der
gesamten Schiffahrt zugute kommen.