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Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1924.
Die ozeanographischen Untersuchungsfahrten konnten wieder aufgenommen
werden, und zwar dank dem Entgegenkommen der Marineleitung zunächst auf
dem Vermessungsschiff „Panther“. Die erste Reise ging in der deutschen Bucht
der Nordsee vor sich (Einfahrten nach Büsum und westlich bis zur Höhe von
Langeoog). Sie dauerte vom 10. Juni bis 1. Juli und galt Gezeitenstrom- und
Tidenhubmessungen vor verankertem Schiffe; so konnte z. B. nordöstlich vom
Feuerschiff „Norderney“ nahe dem Hauptschiffahrtsweg für je 75 Stunden (6 Tiden)
bei günstigen Witterungsverhältnissen zu Spring- und Nippzeit in den verschiedenen
Tiefen gearbeitet werden. Zahlreich waren auch methodische Versuche auf dieser
Fahrt, deren wissenschaftliche Vorbereitung und Leitung Dr. A. Schumacher
übertragen war. Beteiligt waren noch Prof. Dr. Schott, Dr. B. Schulz und Dr.
Thorade. Auch waren Beobachter (Marinepersonal) während der Periode auf
den benachbarten Feuerschiffen „Außeneider“ und „Norderney“ an Bord. Die
Aufrechnung des reichen Materiales für weitere Verwendung wurde sogleich be
gonnen.
Im September (10. bis 28.) stand „Panther“ noch einmal zur Verfügung, und
zwar für eine räumlich ausgedehnte Reise ab Swinemünde rund um Gotland.
Diese Ostseefahrt, an der von der Seewarte nur Dr. B. Schulz, von der Bio
logischen Anstalt in Helgoland Dr. A. Wulff teilnahmen, war einer Untersuchung
der physikalisch-chemischen Eigenschaften insbesondere der Tiefwasserschichten
gewidmet, um festzustellen, ob und welche Unterschiede gegenüber den auf
„Skagerak“ 1922 gefundenen Verhältnissen zu gleicher Jahreszeit, aber also in
verschiedenen Jahren, auftreten. Die Reise verlief zeitweise stark stürmisch.
Soweit die Ergebnisse vorliegen, zeigte der Luftgehalt 1924 nicht die extreme
Ausbildung in der Gotlandtiefe usw. wie 1922.
Fast mehr noch als durch diese Unternehmungen wurde die ozeanographische
Abteilung 1924 durch das Problem der akustischen Tiefenmessung in Bewegung
gehalten. Die Seewarte hat dabei im wesentlichen die von der Behm-Echolot-
Gesellschaft in Kiel konstruierten verschiedenen Apparate einer Prüfung und,
soweit tunlich, praktischen Erprobung unterzogen und bei der gewaltigen Be
deutung des Problems für Schiffahrt und Wissenschaft die dabei in Betracht
kommenden technischen Verfahren ihrerseits zu fördern sich bemüht, zum mindesten
durch dauernde Beratung. Regierungsrat Dr. Schulz, dem diese Arbeiten ganz
vorzugsweise anvertraut waren, konnte auf dem Dampfer „Hansa“ der Hamburg-
Amerika-Linie vom 29. April bis 30. Mai d. J. eine Reise nach New York und
zurück ausführen, um zusammen mit dem vom Physiker A. Behm-Kiel ge
sandten Mechaniker W. Krentzien unter Benutzung verschiedener Appara
turen Messungen über kleinen und über ozeanischen Tiefen zu versuchen. In
Washington gewann Dr. Schulz auch Fühlung mit den in Amerika in dieser
Frage tätigen Persönlichkeiten. Näheres vgl. seinen Bericht in den „Annalen der
Hydrogr.“, November- und Dezemberheft; dazu kommt noch ein Aufsatz Dr.
Schumachers in Betracht, der sich hauptsächlich mit der unterschiedlichen
.Schallgeschwindigkeit im Meerwasser beschäftigt, und dessen zahlenmäßige An
gaben sogleich überall als z. Z. zuverlässigste Eingang gefunden haben (April
heft derselben Zeitschrift). L^ß die ganze große Aufgabe mit dem Ende des
Berichtsjahres noch keineswegs erledigt war, wird man begreiflich finden.
Die seitens der Marineleitung geplante Hergabe des neuen Vermessungs
schiffes „Meteor“ für eine Tiefseeexpedition nach dem Atlantischen Ozean hat
auch die ozeanographische Abteilung durch Gutachten und Besprechungen im
Laufe des Jahres steigend beschäftigt. Dr. Schumacher wurde schließlich be
hufs Teilnahme an der Expedition ab 1. Dezember 1924 bis auf weiteres vom
Dienst beurlaubt; seine teilweise Vertretung übernahm mit Einwilligung der
Hamburgischen Oberschulbehörde Dr. Thorade.
Die weitere Drucklegung der Einzelblätter des „Atlas über die physikalischen
Verhältnisse der Nord- und Ostsee“ litt in sehr starkem Maße an der Überlastung
der Druckerei der Seewarte und an dem durch den Personalabbau bedingten
Mangel einer für die Reinzeichnungen freien zeichnerischen Kraft. Ein Zeit
punkt der Fertigstellung läßt sich daher, obwohl die Arbeitskarten vollendet