Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1919—1920.
IS
X. Ozeanographische Abteilung (H).
1. Für den Atlas der Stromversetzungen im Atlantischen Ozean ist mit
Ende 1920 die Anzahl der aus den Tagebüchern herausgenommenen Einzelversetzungen auf
rund 97 000 gestiegen; zurzeit werden Dampferbeobachtungen in die Listen eingetragen. Um
für die spätere Veröffentlichung eine Form zu finden, die von vornherein auch den Beifall der
Schiffahrtskreise findet, wurden nach dem Material des 1913 ausgegebenen Stromatlas für den
Indischen Ozean 4 Karten nach besonderer Methode entworfen, von denen eine demnächst auf
einer Rückseite einer Monatskarte für den Nordatlantischen Ozean abgedruckt werden soll mit
der Aufforderung, hierzu sich zu äußern.
2. Der jetzigen Qesamtlage entsprechend vereinigt die Abteilung H ihre Kräfte jetzt haupt
sächlich auf die Ozeanographie der heimischen Meere, ohne die freien Ozeane auszuschließen.
Ein ständiger BeobáchtuHgsdienst wird auf den wichtigsten deutschen Feuerschiffen eingerichtet,
besonders für Strombeobachtungen. Dieser Schritt ist um so notwendiger, weil die Beobach
tungen der Küstenstationen im System der Preußischen Kommission zu Kiel voraussichtlich
nicht wieder in das Leben gerufen werden können. Die volle Ingangsetzung der Arbeit der
Seewarte auf diesem Gebiete soll 1921 bringen. Am Ende 1920 waren „Elbe IV“ und „Elbe I“
schon seit mehreren Monaten in dieser Hinsicht tätig.
3. Seit 1920 ist die Seewarte, durch Berufung des Vorstandes der Abteilung H, amtlich
beteiligt an der Deutschen wissenschaftlichen Kommission für (internationale) Meeresforschung.
Zwei Beamte der Abteilung übernahmen die ozeanographischen (hydrographischen) Arbeiten auf
dem Reichsforschungsdarapfer „Poseidon“ in der Zeit vom 25. 5. bis 12. 6. und vom 18. 9. bis
30. 9.; Arbeitsgegend die Deutsche Bucht und nördlich bis zur Jütland-Bank. Am 10. und 11. 6.
wurde 19 Sm westlich von List (Sylt) zur Erprobung 48 Stunden lang ununterbrochen der Strom
in allen Tiefen gemessen, unter gleichzeitiger Beobachtung von Temperatur und Salzgehalt usw.
Die Ergebnisse sind bearbeitet.
4. Das während der Kriegszeit außer Betrieb gesetzte chemische Laboratorium ist in
einen allerdings selbst den vorläufigen Anforderungen noch nicht entsprechenden, aber doch
benutzbaren Zustand wieder gebracht. Die 1914 für die Marine, Kanonenboot „Meteor“, bestellte
ozeanographische Ausrüstung wurde beendet, auch die Tieflotmaschine einschließlich Heiß
trommel abgenommen. Erhebliche Ergänzungen des Bestandes an ozeanographischen Instru
menten wurden durchgeführt, besonders im Hinblick auf die Feuerschiff-Beobachtungen.
5. Der Atlas der physikalischen Verhältnisse der Nord- und Ostsee wurde weiter ge
fördert; seine Fertigstellung ist 1921 zu erhoffen. Für Petermanns Geographische Mitteilungen
wird die wichtigste ozeanographische Literatur in dienstlichem Aufträge durchgesehen und kurz
besprochen. Zahlreiche Karten, Lichtbilder und sonstiges Anschauungsmaterial wurden im
Interesse von Unterrichtskursen für Kapitäne und Offiziere der Handelsmarine beschafft. Im
Anschluß hieran wurde eine planimetrische Ausmessung der Wärmezonen der Ozeane (Monate
Februar und August) durchgeführt, deren weitere Verwertung aussteht.
6. Die in besonderem Aufträge seiner Zeit durch den ständigen Mitarbeiter Dr. Brennecke
erfolgte Bearbeitung der Qezeitenströme in der Nordsee, speziell in der Deutschen Bucht, war,
mit Bezugnahme auf die H.-W. Dover, bzw. Cuxhaven, abgeschlossen. Die neue Entscheidung,
künftig die Kartenbilder auf die Zeiten nach dem Monddurchgang von Greenwich zu beziehen,
verlangt auch eine neue Bearbeitung.
Die während des Krieges durch das Marineobservatorium zu Ostende ausgeführten
ozeanographischen Beobachtungen an der flandrischen Küste bearbeitet Herr Dr. Br. Schulz;
Teil I davon ist erschienen.
7. Vorlesungen an der Universität, bzw. im allgemeinen Vorlesungswesen hielten neben
amtlich in 1919 die Herren Schott und Brennecke, in 1920 als.Privatdozent Herr Br. Schulz.
Die Wiederaufnahme des Verkehrs mit den ozeanographischen Fachgenossen in den bisher
feindlichen Ländern ist, meist ohne Zutun der Seewarte, wieder erfolgt.
Am Deutschen Seeschiffahrtstag in Bremen nahm der Vorstand der Abteilung H teil,
außerdem an mehreren Konferenzen in Berlin in Angelegenheit der deutschen Meeres
forschung.
8. Was das Personal der Abteilung H betrifft, so war Herr Kapitän Voß in den beiden
Berichtsjahren als nichtbeamtete Hilfskraft tätig; der Hilfsarbeiter Herr Jentzsch ebenso, er
wurde aber am 15. Oktober 1920 nach Abteilung II versetzt, dafür erhielt die Abteilung H Herrn
Kapitän Hatje zugeteilt.