A. Allgemeiner Teil.
I. Zur Geschichte der Deutschen Seewarte.
a. Allgemeines.
Das Jahr 1912 stand für die neue Leitung wesentlich noch im Zeichen der
Umschau und Vorbereitung.
Erfahrungen und Beobachtungen der verschiedensten Art legten den Schluß
nahe, daß die Vorstellung von der Bestimmung und dem Wesen der Anstalt nicht
mehr in derjenigen Klarheit der Form und Fülle des Inhalts lebendig sein könne,
die allein die Stetigkeit der Arbeitsleistung und der Entwickelung verbürgen.
Die Hauptursache für diese Erscheinung mag darin gefunden werden, daß die
Selbstverständlichkeit der Seewartenarbeit unter der allmählichen Zurückdrängung
der Segelschiffahrt eine Einbuße erlitten hat. Außerdem aber haben ohne Zweifel
auch die Absplitterung wesentlicher und die Angliederung wesensfremder Bestand
teile im gleichen Sinne gewirkt. Daher erblickte die Leitung ihre erste Aufgabe
darin, die gesetzlich festgelegte Zweckbestimmung der Anstalt an der vorwärts-
nnd aufwärtsschreitenden Bewegung aller deutschen Schiffahrtsverhältnisse zu
prüfen, um auf diese Weise ein Qegenwartsbild von der Daseinsberechtigung
und den Daseinsbedingungen der Anstalt zu gewinnen. Die Vermehrung der
Dampferflotte, die Erstarkung der Linienfahrt nebst Ausbildung eigener nautischer
Abteilungen, die Hebung des Standes der Schiffsoffiziere, ferner die Zusammen
fassung der gesamten Handelsschiffahrt durch die soziale Fürsorge, das gemein
nützige Unternehmen des deutschen Seekartenwerkes, der funkentelegraphische
Zeitdienst und sein Einfluß auf die Chronometer-Pflege und -Ausrüstung — von
anderen Einzelheiten zu schweigen — wurden unter diesem Gesichtspunkt zwang
los nach Gelegenheit für die Prüfung verwendet.
Es ist erfreulich, daß die so neuerrungene Vorstellung von dem Wesen der
Anstalt durchaus diejenigen Züge trägt, die ihr bei der Begründung aufgeprägt
worden sind. Allem Neuen gegenüber vermag sich die Seewarte in ihrer Eigen
art zu behaupten, die sich darstellt als eine Verbindung von gemeinnütziger Schiff-
fahftsanstalt und wissenschaftlichem Forschungsinstitut, deren Lebensnerv der
nachrichtliche Verkehr mit der Handelsschiffahrt ist.
Die Zukunft der Anstalt liegt somit nicht in einer Um- und Neuschöpfung,
sondern in entschlossener Fortentwickelung in der Richtung ihrer Eigenart.
Die Leitung schöpft aus ihrer Arbeit die Zuversicht, daß auch für die See
würfe das Gesetz seine Geltung bewähren wird, das nicht geschrieben ist,
sondern dem jede Bildung von eigener Art ihrer Natur nach folgen muß:
Auch die Seewarte muß werden, was sie ist, oder sie wird nicht sein.
Am 1. April 1912 wurde der in Hamburg verbliebene Teil der Abteilung V
mit der Abteilung I vereinigt. Dafür wurde von der Abteilung I der ozeano-
graphische Teil abgetrennt, und hieraus eine selbständige Abteilung für Ozeano
graphie (H) gebildet. (Näheres siehe Berichte der Abteilungen 1 und H.)