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Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1912.
Von größeren Aufgaben, die in der ozeanographischen Abteilung erledigt
wurden oder in Arbeit waren, seien folgende genannt:
1) Eine Untersuchung über das spezifische Gewicht des Wassers
in den deutschen Häfen und Flußmündungen wurde durchgeführt, um der
See-Berufsgenossenschaft die ordnungsgemäße Kontrolle des Freibords in den
deutschen Häfen zu ermöglichen. Es wurden, hauptsächlich mit Hilfe der Agen
turen, Wasserproben von Emden bis Memel beschafft und titriert; hieraus dann
das spezifische Gewicht auf Grund von Winter- und Sommertemperaturen be
rechnet. Es zeigte sich, daß für manche Plätze, z. B. Cuxhaven, noch weitere
und zahlreichere Bestimmungen notwendig sein werden, um die mit den Tiden
und Winden sehr variabelen zu erwartenden Gewichte des Wassers genau
festzulegen.
2) Die Beendigung der Arbeit am Stromatlas für den Indischen
Ozean fällt in das Berichtsjahr. Das Werk, aus nahezu 10-jähriger Arbeit her
vorgegangen, enthält 24 Tafeln, nämlich je 2 große Stromkarten für jeden Monat,
von denen die eine Tafel die Strömungen in der Form sogenannter „Stromsterne“
oder „Stromrosen“ (nach dem Prinzip der „Windsterne“ oder „Windrosen“
gezeichnet) bringt, die andere eine Auswahl von einzelnen Stromversetzungen.
Die Gesamtsumme aller verrechneten Stromversetzungen beträgt rund 222 000;
hiervon ist ein nennenswerter Teil holländischen Ursprunges, da das Kgl.
Niederländische Meteorologische Institut zu de Bilt in einem Vertrage vom Januar
1904 mit der Seewarte die Lieferung seines Beobachtungsmateriales zugesagt hatte.
Der Stromatlas, mit kurzem erläuternden Vorwort, erschien Anfang 1913 im
Kommissionsverlag von L. Friederichsen & Co., Hamburg.
3) Die umfangreichen ozeanographischen Beobachtungen S. M. S. „Moewe"
während der Ausreise 1911 nach Deutsch-Südwestafrika wurden in Karten und
Diagrammen bearbeitet, die Wasserproben für Salzgehalt und Gasgehalt analysiert;
dagegen konnte an die Herstellung des für die Drucklegung erforderlichen Textes
noch nicht gegangen werden. Von S. M. S. „Planet“, das im Jahre 1912 die Reise
Bismarck-Archipel—Tsingtau via Formosa und zurück zum Bismarck-Archipel via
Philippinen ausführte und dabei östlich von Mindanao die größte aller bisherigen
Tiefen lotete, ging ebenfalls wichtiges Material ein; die Rückreise S. M. S. „Planet“
machte der wissenschaftliche Beamte des Hamburgischen mineralogisch-geolo
gischen Institutes Herr Dr. E. Horn mit, um sich dem Studium der Bodenproben
auch gleich an Bord zu widmen. Nach einem höheren Ortes genehmigten Ab
kommen gehen sämtliche von S. M. Vermessungsschiffen gewonnenen Qrund-
proben an das eben genannte Institut zur Bearbeitung bezw. auch zur Veröffent
lichung der Ergebnisse über, und es besteht die Hoffnung, daß hier im Laufe der
Zeit sich eine Zentralstelle für das wichtige Studium der Tiefseesedimente ent
wickelt.
4) Kommandierungen von Offizieren der Kaiserl. Marine behufs Instruktion
in ozeanographischen Angelegenheiten waren in 1912 zahlreich; es wurde ein
erster ozeanographischer Lehrkursus im Februar abgehalten, ein zweiter im Mai
und Juni. Außerdem war für kürzere Zeit bei der Abteilung tätig Herr Kapt.-
Leutnant Schlenzka, sowie von Mitte November ab bis zum Schluß 1912 und
darüber hinaus Herr Korv.-Kapt. M ü n d e 1 für spezielle ozeanographische Studien
kommandiert.