Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1903.
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in Berlin erreichten Höhen dienen. In den Monaten April bis August, wo noch
mit Handwinde gearbeitet werden mußte, wurde hier nur 7 mal dieselbe oder
eine noch größere Höhe erreicht, wie in Berlin; in den Monaten September bis
Dezember, wo der Motor das Einholen besorgte, au 17 Tagen oder an 23% aller
Tage mit Aufstiegen. Es wurde aber mit dem Auslassen des Drahtes in der Regel
erst dann aufgehört, wenn keine Aussicht mehr war, das Instrument durch Hinzu
fügen weiterer Hülfsdrachen erheblich höher und rechtzeitig wieder herab zu
bringen, gewöhnlich weil die Spannung im Draht so groß geworden war, daß man
bei deren weiterem Vergrößern ein Versagen des Motors gewärtigen mußte. Es
wird also der bevorstehende Umbau der Motorwinde diese Verhältnisse voraus
sichtlich erheblich günstiger gestalten.
In den Monaten April bis August ist durchschnittlich bei jedem Aufstieg
außer dem Hauptdrachen, in dem der Meteorograph eingebunden ist, nur je ein
Hülfsdrachen zum Anheben des Drahtes zur Verwendung gekommen, im September
bis Dezember durchschnittlich deren zwei. Doch sind auch Fälle vorgekommen,
wo bei schwachem Wind in allen Höhen allmählich bis zu 6 Hülfsdrachen an den
Draht gesetzt wurden. Der Hauptdrache hatte 5 bis 6V2 qm, nur bei stürmischem
Winde 3 qm Tragfläche. In 26 Fällen im Berichtsjahre ist an den Rücken dos
Hauptdrachens ein kleinerer Vorspanndrache gespannt worden, um ihn bei sehr
schwachem Winde emporzuheben. Es sind, namentlich als Hülfsdrachen, alle
hier vorhandenen Drachentypen neben einander verwendet worden, was Gelegenheit
zu interessanten Beobachtungen gegeben hat.
In denselben Monaten Juli und August, wo durch die Einstellung des Motors
und der neuen Winde der Betrieb vergrößert wurde, fand auch der Bau des
Stationsgebäudes auf dem Drachenplatze statt, nachdem die vom Meteorologen
ausgearbeiteten Pläne desselben auf der Kaiserl. Intendantur in Kiel revidiert und
aus der zwischen vier hiesigen Zimmermeistern ausgeschriebenen Konkurrenz Herr
E. Roggenbuck in Groß-Borstel als Mindestfordernder hervorgegangen war. Das
Gebäude, das aus zwei heizbaren Räumen — Bureau und Werkstatt — und einer
unheizbaren höheren Halle zur Aufbewahrung der Drachen, sowie den nötigen
Nebenräumen besteht, ist aus Holz, in den heizbaren Räumen sowohl die Wände
wie der Fußboden aus doppelter Bretterlage mit Torfmull dazwischen hergestellt.
Es hat sich, auch für den Winter, befriedigend bewährt. Es liegt 63 m südlich
von der Drehhütte und etwas niedriger als diese, so daß es die Aufstiege in den
seltensten Fällen stören kann. Eine Beschreibung der Station wird im Jahr
gange 1904 der „Annalen d. Hydr. u. Mar. Met.“ erscheinen.
Bis zum 1. Juli wurden zwei, seitdem drei Arbeiter auf der Drachenstation
beschäftigt, teils bei den Aufstiegen, teils beim Bauen und Reparieren von
Drachen, teils endlich bei den Einrichtungsarbeiten verschiedenster Art. Über
die Beteiligung des Personals der Drachenstation, an den erdmagnetischen Be
obachtungen in Großborstel sieheAbschnitt VIII f. Auch hat der eine der
Arbeiter einen Teil seiner Zeit für Hülfeleistungen in dem Wetterdienste zu gunsten
der Landwirtschaft und in der Kanzlei der Seewarte zu verwenden.
üeber die zahlreichen, mit dem Drachendienst unvermeidlich verbundenen
Unfälle wird an anderer Stelle berichtet werden; erwähnt sei hier nur, daß am
16. April der Blitz in den Drachendraht fuhr und ihn schmolz, so daß der Drache,
der 2350 m über dem Boden stand, 9,3 km weit nach Ost-Steinbek fortgetragen
wurde. Zum Glück wurde bei keinem der zahlreichen Unfälle der im Innern des
Drachens befestigte Meteorograph irgend erheblich beschädigt, so daß mit der