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Beih. II z. d. Annalen etc., Jahrg. iy04-
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A. Allgemeiner Bericht.
1. Einleitung.
Während die Tätigkeit der Deutschen Seewarte in dem Berichtsjahr in den
seitherigen Bahnen weitergeführt wurde, ist das Jahr durch den Wechsel in der
Person des Direktors für die Anstalt besonders denkwürdig geworden.
II. Zur Geschichte der Deutschen Seewarte.
a. Allgemeines.
Am 30. Juni 1903 trat der erste Direktor der Deutschen Seewarte, der wirk
liche Geheimerat Professor Dr. Georg v. Neumayer, Exzellenz, in den Ruhe
stand. Die Entstehung und Entwickelung der Deutschen Seewarte ist mit dem
Namen Neumayer untrennbar verbunden.
Schon in früher Zeit wandten sich die Interessen dieses Gelehrten neben
seinen wissenschaftlichen, hauptsächlich geophysikalischen Arbeiten der Nautik zu,
und es darf als das praktische Ziel seines Lebens das Streben gelten, die Er
gebnisse der Naturwissenschaften für die Seefahrt nutzbar zu machen. So finden
wir ihn schon auf der Münchener Universität (anno 1850) mit dem Studium von
Werken wie die Maurys, Rümkers beschäftigt, und um wirklich mit dem Seeleben
innig vertraut zu werden, hat er es nicht gescheut, nach Vollendung seiner Studien
als Matrose zur See zu gehen. Mit Unterstützung des Königs Max II. von Bayern
war es ihm vergönnt, auf der südlichen Halbkugel, der er seiner geophysikalischen
Forschungen halber sein besonderes Interesse zuwendete, eine Anstalt für Physik
der Erde, das Flagstaff - Observatorium in Melbourne, zu gründen, dem er von
1837 bis 1864 vorgestanden hat. Schon dort hat er den Gedanken der Gründung
eines ähnlichen Institutes in größerem Rahmen in Deutschland, wovon er sich
eine Kräftigung der nationalen Bedeutung Deutschlands versprechen durfte, öffent
lich ausgesprochen, und nach der Heimkehr nach Deutschland ist er für den
selben Plan in Hamburg und 1865 auf der Versammlung der Freunde und Meister der
Erdkunde in Frankfurt a.M. warm eingetreten. Er hat dort gesagt: „Von deutscher
Seite geschah außerordentlich wenig für Hydrographie und nautisch-meteorologische
Zwecke; wir besitzen keine nationale Original - Litteratur über die betreffenden
Gegenstände, während doch die deutschen theoretischen Arbeiten in den ver
wandten Fächern meistens die Grundlage bilden. Wie ist es möglich, daß nau
tische Bestrebungen, die so vielfach Anknüpfungs- und Stützpunkte in der Wissen
schaft haben, ohne umfassendere wissenschaftliche Leitung zum ersprießlichen
Gedeihen gefördex-t werden? So gewiß es ist, daß unseres Vaterlandes Stellung
unter den Völkern Europas von seiner freiheitlichen und einheitlichen Entwick
lung bedingt ist, so gewiß ist es auch, daß nur eine Hebung unserer maritimen
Bedeutung ermöglicht, daß unser Volk seine kulturgeschichtliche Bestimmung
erfülle.“