4
Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1900.
Wie schon angedeutet, erschloss sich für Rümker mit der Gründung des Nord
deutschen Bundes und später des Deutschen Reiches eine neue segensreiche Thätigkeit,
wobei ihm in erster Linie seine Vertrautheit mit nautisch-astronomischen Fragen und
dem Unterricht darin, sowie seine Einsicht in das Wesen der Chronometrie zu Statten
kam. Rümker wirkte lange Jahre, bis ihn endlich schwere Erkrankungen daran
verhinderten, als Reichsprüfungsinspektor für die Navigationsschulen, wobei ihm seine
vollkommene Objektivität bei der Entscheidung aller prinzipiellen Fragen über Methoden
der Navigirung und des Unterrichtes Achtung und das höchste Lob erwarben. Es
muss an dieser Stelle besonders hervorgehoben werden, dafs die erste Anregung zur
Gründung eines Reichs-Chronometer-Institutes von ihm ausging, eine Anregung, welche
späterhin dem hohen Senat von Hamburg die Veranlassung gab, sich dieser wichtigen
Angelegenheit anzunehmen, worauf die Initiative vom Reiche ergriffen wurde. Der
glückliche Erfolg ist zu einem grofsen Theile der Sachkenntnifs Rümker’s zu
zuschreiben. Auf Anregung des Senates der Freien und Hansestadt Hamburg trat mit
dem Beginne des Jahres 1876 das Reichs-Chronometer-Institut bei der Deutschen See
warte ins Leben; Rümker wurde zum Abtheilungsvorstand dieses Institutes ernannt.
Nicht nur waren es die von frtihauf in sich aufgenoramenen klaren Ideen Uber das
Wesen der Chronometrie, welche ihn besonders dazu befähigten, sondern er war auch
durch eingehende Studien in England und der Institute zur Pflege der Chronometrie mit
den Einrichtungen solcher und ähnlicher Institute gründlich vertraut geworden und
vermochte sonach auf die Einrichtungen des neuen Reichsinstitutes einen maafsgebenden
Einflufs auszuüben.
Wer mit den Arbeiten des Chronometer-Prüfungs-Institutes der Seewarte und den
an demselben alljährlich ausgeführten Konkurrenzprüfungen vertraut ist, kann sich
der Ueberzeugung nicht verschliefsen, dafs das Wirken Rümker’s auf diesem Ge
biete bis zu seiner schweren Erkrankung Ende 1897 ein höchst segensreiches war.
Die Chronometer-Frage ist für Deutschland noch lange nicht gelöst, wenn es auch
nicht verkannt werden kann, dass erhebliche Fortschritte erzielt worden sind. Prof.
Rümker muss auch nach dieser Richtung ein erhebliches Verdienst zuerkannt werden,
wenn heute richtige Wege in dieser, für die Seefahrt so ausserordentlich wichtigen
Fabrikation betreten worden sind.
Als Reichsprüfungsinspektor und Vorsitzender der Hamburgischen Prüfungs
kommission für Seeleute, welche Funktionen er noch ausübte, als er bereits durch
körperliche Leiden schwer darnieder gedrückt war, ist er stets sowohl von den höheren
Behörden, wie auch von Kollegen hoch geschätzt worden, und manche in neuerer Zeit
betretene Bahnen sind von ihm schon früh erkannt und als zu befolgen empfohlen
worden.
Im Jahre 1860 wurde Rümker zur Beobachtung der totalen Sonnenfinsternifs
vom 18. Juli nach Spanien entsandt, was nicht unwesentlich zur Erweiterung seines
Gesichtskreises beitrug; es kam dies in seiner Eigenschaft als Mitglied der Kommission
zur Vorbereitung der Beobachtung der Vorübergänge der Venus vor der Sonnenscheibe
1874 und 1882 zur Geltung. Sein praktischerSinn war sowohl in dieser Thätigkeit,
sowie auch als Mitglied der Europäischen Gradmessung, in welcher er den Hamburger
Staat bis zu seinem Lebensende vertrat, von erheblichem Werthe.
Im Jahre 1869 wurde er seitens des Hamburger Senates zur Eröffnung des Suez-
Kanales entsandt (17. November 1869), bei welcher Gelegenheit sein geographisch
historisches Interesse eine reiche Nahrung fand, wodurch er in späteren Jahren als
Mitglied des Vorstandes der Hamburger Geographischen Gesellschaft und der ersten
Deutschen Polarkommission (1875) wesentliche Dienste leistete.
Rümker war einsehr vielseitig gebildeter Geist, von einer geradezu bewunde-
rungswerthen Belesenheit in der Literatur verschiedener Nationen. Dabei war es nicht
nur die fachmännische Literatur, die er beherrschte, sondern auch die Geschichte und
Belletristik zeichneten seine Unterhaltung in der Gesellschaft ganz besonders aus.
Die Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit seines Wesens gewannen ihm überall Freunde,
und seine vornehme Denkungsweise machte ihn allerwärts zum Gegenstand aufrichtiger
Werthschätzung.
Die Deutsche Seewarte verlor in Rümker einen ihrer hervorragendsten Mit
arbeiter, der, wie schon hervorgehoben, sich als Vorstand der Abtheilung IV des Chrono