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Full text: Jahresbericht 1898

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Jahresbericht der deutschen Seewarte für 1898. 
ausgeführt, deren Ergebnifs im Septemberheft der „Annalen der Hydrographie“ 
erschienen ist. Ferner hat er im Anfänge und am Ende des Jahres den beiden 
letzten anomal warmen Wintern seine Aufmerksamkeit gewidmet und eine erneute 
eingehende Prüfung des Verhältnisses zwischen Beaufort’s Skala der Windstärke 
und der gemessenen Windgeschwindigkeit vorgenommen. Diese letzteren Arbeiten 
werden in Kurzem veröffentlicht werden. 
Den Sommer und Herbst über ist Prof. Koppen dagegen ganz vorwiegend 
mit Studien und Versuchen über die Verwerthung von Drachen zu meteorologischen 
Zwecken beschäftigt gewesen. 
Die Gewinnung möglichst häufiger und umfassender Beobachtungen über die 
Temperatur, Feuchtigkeit und Bewegung der freien Atmosphäre in verschiedenen 
Höhen ist seit lange der dringendste Wunsch der Meteorologen. Nachdem nunmehr 
durch die Versuche auf dem Bluehill-Observatorium bei Boston und in Washington 
der Nachweis geliefert ist, dafs dieses Ziel auf verhältnifsmäfsig einfachem und 
billigem Wege mit Hülfe von Drachen erreicht werden kann, ist es Pflicht der 
meteorologischen Institute den neuen, vielversprechenden Weg zu betreten. 
Im Juni wurden unter Prof. Köppens Leitung die ersten Versuchsdrachen 
gebaut, und zwar vom Typus der schwanzlosen Eddy- oder Malay-Drachen. 
Während des Juli und August wurde die Behandlung dieser Drachen an Exemplaren 
von nur 1 bis 2 qm. Oberfläche eingeübt, ein Hargrave- oder Zellen-Drachen erbaut 
und die nöthige Winde sowie der Klavierseiten-Draht bestellt, um gröfsere Drachen 
regieren und auf gröfsere Höhen steigen lassen zu können. Nachdem am 4. Septbr. 
die Winde geliefert und die Schwierigkeiten des Aufspulens des Drahtes etc. über 
wunden waren, wurden die Versuche in dieser vorgeschrittenen Form bis zum 
15. Oktober bei günstiger Witterung fortgesetzt und dazwischen Drachen ver 
schiedener Form gebaut. Mit Hülfe des Stahldrahts und der Winde konnten 
nunmehr auch drei oder vier Drachen hintereinander aufgelassen werden, die mit 
Leichtigkeit eine Probelast von l'/ 2 kgr. einige hundert Meter hoch unter einem 
Winkel von etwa 40° hoben; der Winkel der Steigleine gegen den Horizont betrug 
an ihren oberen Enden, bei den respektiven Drachen, meist zwischen 50° und 60°. 
Wie in Amerika, so mufste auch hier die Erfahrung gemacht werden, dafs 
die Malay-Drachen zwar an Einfachheit, Dauerhaftigkeit, leichtem Steigen und 
steilem Stehen unübertroffen sind, dafs sie aber an der für die Hebung meteoro 
logischer Instrumente wichtigsten Eigenschaft, der Stabilität und Zuverlässigkeit, 
zu wünschen lassen, so dafs die viel komplizirteren und schwereren Drachen des 
Hargrave-Systems ihnen dennoch unbedingt vorzuziehen sind. Da aber auch diese 
in recht verschiedener Weise ausgeführt worden sind und für die bestempfohlenen 
z. Th. die Beschreibungen unvollständig waren, so mufste die Auswahl zwischen 
den Konstruktions-Methoden mit Hülfe eigener Erfahrungen und Untersuchungen 
getroffen werden, die nicht anders als zeitraubend sein konnten. Wird doch auch 
von den Amerikanern durchaus anerkannt, dafs die beste Konstruktionsweise und 
Form wahrscheinlich noch nicht gefunden sind, und werden diese doch z. Z. in 
AVien in einer, wenigstens scheinbar, sehr abweichenden Richtung gesucht. Die 
genaue Beschreibung der dabei gewonnenen Resultate wird von Prof. Koppen 
demnächst in einem zusammenfassenden Bericht über den Stand der Drachenfrage 
im „Archiv der Deutschen Seewarte“ veröffentlicht werden. 
Da die Seewarte noch nicht im Besitz eines für diese Zwecke geeigneten 
Metcorographs war, so konnten die Versuche über dieses vorbereitende Stadium 
im Berichtsjahre nicht hinausgehen.
	        
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