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Das Gesichtsfeld dieser vierfachen terrestrischen Ökulare ist niemals
vollständig eben, sondern es erscheint vielmehr ein durch ein solches Okular
gesehenes Bild, je nach der mehr oder weniger gut ausgeführten Anordnung der
Linsen, an den Rändern etwas gewölbt oder verzogen. Dieser Uebelstand zwingt
auch, die Grösse des Gesichtsfeldes zu beschränken, welches deshalb — wie
schon bemerkt — durch die Blende zwischen der dritten und vierten Linse
begrenzt wird.
Die Breite des Okulars ist übrigens hier, sowie bei allen anderen Fern-
rohr-Konstruktionen, etwas grösser, als die zum Durchgang der Strahlen nöthige
Oeffnung, da die Fassung etwas wegnimmt. Um die ganze Breite oder Oeffnung
einer Linse von derjenigen zu unterscheiden, welche zum Durchgang der
Strahlen nothwendig ist, nennt man letztere auch die „nützliche Oeffnung“ der
Linse. In der Regel soll die Linse nicht grösser sein, als die „nützliche
Oeffnung“ verlangt, weil die grössere Breite mindestens unnöthig ist.
Trotz der Mängel, mit welchen das vierfache Fraunhofer’sche Okular be-
haftet ist, bleibt es seiner anderen grossen Vorzüge wegen das beste für Tag-
fernrohre. Der sehr verdienstvolle Optiker Kellner in Wetzlar hat zwar ein
Okular konstruirt, das an Stelle der zweiten und vierten Linse je eine achro-
matische Doppellinse aus Kron- und Flintglas besitzt. Dieses Okular, das
orthoskopische genaunt, ist vom rein optischen Standpunkte als.ein Meisterwerk
zu bezeichnen. Das Gesichtsfeld ist vollkommen eben, aber. sehr klein, die
Vergrösserung ungewöhnlich stark, aber die Helligkeit gering. Zu kleines
Gesichtsfeld und ungenügende Helligkeit sind aber Eigenschaften, welche bei
einem Tagfernrohr für den Schiffegebrauch nicht vorhanden sein dürfen, sie
lassen die Verwendung‘ des Kellner’schen Okulars für unsere Zwecke nicht zu,
verhindern überhaupt die allgemeine praktische Einführung desselben.
Wir haben nunmehr Einiges über die Konstruktion der Nachtfernrohre
zu sagen. Es sind dies bekanntlich Doppelgläser. Das Princip der Zusammen.
setzung ist das Galilei'sche und beruht auf Folgendem. Wenn das durch eine
Objektivlinse‘ dargestellte Bild durch eine Bikonkavlinse betrachtet wird, so
sieht der Beobachter ein aufrechtes Bild des Gegenstandes. Den Gang der
Strahlen in dieser Verbindung stellt die Figur VII dar. Von dem beobachteten
Gegenstande AB entsteht hinter dem Objektiv das verkehrte Bild ab. Die
Strahlen fallen konvergirend auf die Hohllinse und werden von dieser zum
Theil von der Achse weg in die parallele Lage £ und 7 gebrochen. Die vom
Mittelpunkte des Gegenstandes kommenden und in die Mitte der Okularlinse
fallenden, Strahlen gehen parallel mit der Achse fort. Wenn nun man die
Oeffnung des Auges oder der Pupille bezeichnet, so werden sowohl die der
Achse. parallelen, als auch die äusseren mit der Achse divergirenden Strahlen
in die Pupille treten und durch die weitere Brechung auf dem Grunde des
Auges’ das Bild so darstellen, dass es aufrecht erscheint, weil die Strahlen,
welche den unteren Punkt des Bildes auf der Netzhaut darstellen, von dem über
der Achse liegenden Punkte des Gegenstandes kommen. Das Bild erscheint
unter dem Winkel 0Qn beziehungsweise 0OQm, da die divergenten Strahlen aus
dem Punkte Q in das Auge zu gelangen scheinen, während der Gegenstand
dem ‚ unbewaffneten Auge unter dem Winkel ACL beziehungsweise BCL er-
scheinen würde. Die „nützliche Oeffnung“ des Okulars ist hior also der Augen-
öffnung gleich, indem Strahlen, welche ausserhalb mn fallen, nicht mehr iu die
Oeffnung gelangen können, wenn das Auge unverrückt stehen bleibt. Das Auge
muss daher dem Okular auch ganz nahe gebracht werden, wenn die äusseren
Strahlen nicht verloren gehen sollen, wodurch das Gesichtsfeld verringert werden
würde, Ist das Okular aber grösser, als die Augenöffnung, so wird, indem das
Auge sich über die Fläche des Okulars hinbewegt, ein grösseres Gesichtsfeld
übersehen. Dies ist bei den Galilei’schen Fernrohren der Fall, mit denen die
Sextarnten und Oktanten der Kaiserlichen Marine ausgerüstet sind, Die viel
verbreitete Ansicht, dass dieselben wegen ihrer grossen Objektivöffnung ein
grosses Gesichtsfeld haben, ist also unrichtig. Dass sie nur zu terrestrischen
Winkel-Messungen bestimmt sind, bedarf kaum der Erwähnung. Bei Nacht-
fernrohren darf die Oeffnung des Okulars nur um ein Weniges grösser sein, als
theoretisch nothwendig ist. Erhält nämlich, wie es häufig geschieht, das Okular
einen übertrieben grossen Durchmesser, so entstehen Verzerrungen des Bildes an