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wie wir dieses schon oben mit Cl. Ley’s Worten anführten — unter diesen
Verhältnissen am stärksten vertreten. Der böige Charakter des NW der nörd-
lichen Halbkugel — und fast noch mehr des SW der südlichen — ist unter
Seeleuten allgemein bekannt und tritt auch auf dem Lande — freilich nicht in
Gebirgsländern — deutlich genug hervor, Was die Tendenz zur Ausbildung
sekundärer Minima auf der Südwestseite der Depressionen betrifft, so ist diese
auffällige und für die Wetterprognose sehr wichtige Thatsache wiederholt an
einzelnen Beispielen in den Monatlichen Uebersichten der Witterung von der
Seewarte hervorgehoben und auch in den „Wissenschaftlichen Ergebnissen“ aus
den letzteren auf Seite 18 kurz besprochen. .
Die oben erwähnte Vergesellschaftung starker Böen mit 'Theilminima
erklärt sich aus den obigen Betrachtungen ebenfalls ungezwungen, wenn wir in
letzteren ein Aufsteigen, in den ersteren ein Absteigen der Luft annehmen.
Natürlich müssen ausserdem "Theilminima die Gradienten auf der vom Haupt-
minimum abgekehrten Seite verstärken und so nicht selten auch Stürme von
längerer Dauer und grösserer Ausdehnung hervorrufen.
Dass bei böigem Wetter die Bewölkung in der Regel sehr stark ist,
steht in vollem Einklang mit der obigen Darstelluug; schwieriger ist es, den
direkten Zusammenhang zwischen Wolke und Bö in den Fällen zu erklären, wo
der Windstoss nur von wenig Regen begleitet ist. Es dürfte dabei der Auf-
trieb, den eine ursprünglich schr kalte, mit stürmischer Stärke schräg herab-
steigende Luftmasse auf die vor ihr befindliche, langsamer bewegte, warme und
dampfreiche Luft ausüben muss — namentlich durch die lebendige Kraft ihrer
Bewegung — eine wesentliche Rolle spielen. Dieser Auftrieb muss gerade dort,
wo die bewegte Luftmasse den Boden erreicht, am stärksten sein, und muss
angefähr über diesem Orte die emporsteigende Bewegung am kräftigsten be-
wirken; da bei dieser Mischung die horizontale Geschwindigkeit der aufsteigenden
und der niedersteigenden Luftmasse nicht viel von einander verschieden aus-
fallen werden, so wird ihr vertikaler Zusammenhang im Allgemeinen erhalten
bleiben; ein bestimmter inniger Zusammenhang zwischen Windstoss und Wolke
findet sich aber auch in der Wirklichkeit fast nur bei den von starkem Regen-
schauer begleiteten Böen.
Da die Luftmasse ihre Geschwindigkeit sogleich verlieren müsste, wenn
die Luft vor ihr nicht entsprechend rasch den Platz räumte, so muss bei Böen
von einiger Existenzdauer vor und über der Bö ein anhaltendes Emporströmen
von Luft stattfinden, so dass man die Bö als Theil eines Wirbels um eine
horizontale und zur Richtung des Windes normale Axe darstellen könnte, wenn
diese Darstellung nicht leicht zu irrthümlichen Vorstellungen Veranlassung geben
würde. Es ist nämlich unschwer einzusehen, dass in Böen der Winkel, unter
dem die Luft herabsteigt, nur ein sehr spitzer sein kann, da die horizontale
Geschwindigkeit die vertikale um das Mehrfache übertrifft; in den meisten
Fällen wird wohl dieser Winkel nicht 15° übersteigen, was er beispielsweise
sein würde, wenn wir die horizontale Bewegung zu 20, die vertikale zu 5m
per Sekunde annehmen. Die Geschwindigkeit des Fortschreitens der Euridice-Bö
am Erdboden entsprach ziemlich gut der Windgeschwindigkeit in derselben oder
übertraf sie nur mässig, so dass es recht wohl, zum grösseren Theile wenigstens,
eine und dieselbe Luftmasse gewesen sein mag, die als Windstoss England von
der Nord- bis zur Südgrenze durchzog, theils durch die mitgebrachte eigene
Geschwindigkeit, theils von dem durch sie eingeleiteten aufsteigenden feuchten
Luftstrom gezogen.
Es würde müssig sein, in der hypothetischen Konstruktion der Vorgänge
weiter ins Einzelne zu gehen, so lange unser positives Wissen über die Natur
der Böen noch so gering ist. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass
die bis jetzt bekannten 'L’hatsachen, wie es scheint, recht gut mit der Voraus-
setzung übereinstimmen, dass die Böen losgelöste Theile aus der freien Luft-
strömung der mittleren Schichten der Atmosphäre sind, und dass es eine Reihe
von Punkten giebt, in welchen diese Auffassung an der Hand der Thatsachen
geprüft werden kann, So z. B. sind die Fragen: ist die Temperaturabnahme
mit der Höhe bei böigen Winden grösser als bei stetigen? wie stellt sich das
Verhältniss zwischen der Windgeschwindigkeit in der Bö und dem Gradienten
zu dem nach Guldberg’s und Mohn’s Formel berechneten? zeigt in Wind-