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Das Herabkommen kalter Luft mit dem Regen unter einer Gewitterwolke
jst schon wiederholt hervorgehoben worden, so namentlich von Hanıy in der
„Zeitschrift der österreichischen Gesellschaft für Metcorologie“, 1873, pag. 105
and 1874, pag. 292, an welchem letzterem Orte auch der Einfluss dieser Be-
wegung auf den Barometerstand besprochen wird. Auch dic Ansicht, dass der
starke Wind in der Bö mit dem Abwärts-Mitreissen der Luft durch den Regen-
zchauer zusammenhange, haben wohl schon Mehrere gehabt; auf diese ist
Schreiber dieses, unter besonderer Bezugnahme auf die sogenannten „White-
Squalls“ der tropischen Meere, durch Herrn Dr. Romberg in Bremen anf-
merksam gemacht worden. Nach dieser Anschauung würde das Abströmen
der mitgerissenen Luft den herrschenden Wind vor dem Regen verstärken,
nach demselben abschwächen oder einen entgegengesetzten Wind hervor-
bringen; es müsste somit bei jedem starken Regen Wind erzeugt werden,
dessen Stärke zu der des Regens im Verhältniss steht. Die Erfahrung ent-
spricht ‘dem jedoch nicht; wir erleben — wenn auch nicht häufig — Platz-
regen ohne erheblichen Wind, und heftige Sturmböen mit nur wenig Regen.
Viel mehr mit den Thatsachen in Uebereinstimmung befinden wir uns,
wenn wir durch die absteigende Bewegung der Luft nur die Uebertragung der
horizontalen Geschwindigkeit, welche dieselbe in der Höhe besass, an den Krd-
boden erklären. Dass zur Erzeugung dieser absteigenden Bewegung der Fall
der Regentropfen Bedeutendes beitragen kann, ergiebt sich leicht aus einer
ungefähren Berechnung. Kin Regen, der 10mm Wasserhöhe giebt oder 10kg
auf 1(Jm und aus einer Höhe von 700m fällt, kommt am Boden statt mit der
Geschwindigkeit von V2><9,8><700 oder 117m nur mit einer solchen von etwa
0m an, und also statt mit einer lebendigen Kraft von 7000 Kilogrammometern
nur mit einer solchen von (10>< 100) : (9,8 >x 2) — 504; von der gesammten
Arbeit, welche der Fall dieser Wassermenge liefert und welehe zur vorher-
gehenden Hebung derselben verbraucht ist, hat der Regen demnach 6496 Kilo-
grammometer abgegeben, und zwar zum grössten Theile durch Ertheilung von
Bowegung an die angrenzende Luft, zum kleineren durch Erzeugung von Wärme
und vermuthlich auch Elektrieität. Diese Arbeitsmenge würde genügen, einen
Kubikmeter Luft von 1,3kg Gewicht 50835m hoch zu heben oder ihm eine
Geschwindigkeit von 313m per Sekunde zu ertheilen; diese Arbeitsmenge ver-
Sheilt sich jedoch auf eine sehr grosse Luftmasse, deren Berechnung nicht ohne
ganz willkürliche Voraussetzungen möglich ist.
Indessen auch für Windstösse, welche ohne Regen auftreten, ist, soweit
sie nicht als Theile eines horizontalen Wirbels und als einer Verstärkung des
Gradienten entsprechend nachgewiesen werden können, die Erklärung durch
gelegentliches Herabsteigen rasch strömender Luftmengen aus der Höhe in die
zurückgehaltene unterste Schicht des Luftstromes die wahrscheinlichste; denn
dieses Herabsteigen muss eintreten, sobald die Abnahme der Temperatur mit
der Höhe 1°C für jede 100m übersteigt, in gesättigt feuchter Luft sogar schon,
wenn diese Abnahme je nach Temperatur und Druck !/ bis ?/s eines Grades
übersteigt.
Windstösse von grösserer Heftigkeit treten unter Umständen — jeden-
falls nur, wenn die Luft sehr trocken ist — bei anhaltend unbewölktem Himmel
auf, So war dieses z. B. am 15. Oktober 1877 in Keitum bei SW der Fall, wäh-
rend der Herrschaft der in der Witterungs-Uebersicht der Seewarte für diesen
Monat Seite 12 und Karte VI geschilderten Depression. Als ferneres interessantes
Beispiel möchte ich eine Notiz anführen, welche mir Herr Kapitän Halter-
mann, Assistent der Seewarte, aus seinem Tagebuche mittheilte:
„Im Januar 1862 traf das Bremer Schiff „Neptun“ auf der Reise von
Liverpool nach der Chesapeake-Bai bei der Durchkreuzung des Golfstromes ein
eigenthümliches Wetter an. An der Südseite des Golfstromes, in etwa 34° N-Br,
hatte das Schiff während der vorhergehenden Tage ausserordentlich schwüles,
warmes Wetter erlebt; die Lufttemperatur betrug dort oft 70° F; der Wind war
vorherrschend südwestlich. In 72° W-Lg Kkrimpte der Wind nach SSE bei
dunklem, trübem Wetter. Das Schiff steuerte dann nordwestlich, um den Golf-
strom mit seiner ungünstigen Strömung auf möglichst kurzem Wege zu durch-
stechen. Im Golfstrom gab es äusserst schwere Gewitter, begleitet von heftigem
Regen, und bevor es gelang, denselben zu verlassen und die Region des kalten