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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 7 (1879)

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übertrifft. Diese Bemerkung erschien mir um so interessanter, als ich soeben 
auf derselben Grundlage der aus der Erfahrung sich ergebenden wie a priori 
nothwendigen Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe und der Ver- 
änderlichkeit des Luftaustauschs in vertikaler Richtung eine Krklärung der 
täglichen Periode der Windstärke gegeben hatto.!) 
Es ist eine den Hydrographen und Hydrotechnikern längst bekannte 
Thatsache, dass in jedem Fluss die Geschwindigkeit der Strömung mit der 
Entfernung vom Grunde und von den Ufern bis zu einem Maximum zunimmt, 
dessen Lage im Strome durch verschiedene, theils erkannte, theils noch un- 
orklärte Einflüsse bestimmt wird. 
Durch die Reibung am Boden, oder vielmehr — da der letztere vom 
Wasser benetzt wird und die daran unmittelbar grenzende Schicht keine Be- 
wegung besitzt — durch die Reibung der verschieden rasch bewegten Wasser- 
schichten an einander geht ein bedeutender Theil der Bewegung, welche das 
Gefälle verursachen würde, verloren, Haben wir noch dazu im Flussbette 
Vertiefungen und Barren, so wird in den ersteren und unter dem Niveau der 
letzteren gar kein Gefälle vorhanden sein, und die Bewegung, die in diesen 
tieferen Schichten sich findet, wird nur von den oberen Schichten durch Reibung 
und Massenaustausch?) mitgetheilt werden. Veranlassen wir eine Wassermasse 
aus der Mitte der. Strömung an den Grund hinabzusinken, indem wir z. B. die- 
selbe abkühlen oder (von einem Fahrzeug aus, das die Bewegung des Stromes 
theilt) durch herabgeworfenen Kies dieselbe mittelst der Reibung nach unten 
reissen, so wird diese aus der Hauptströmung in die langsamer bewegte Grund- 
schicht hereingreifende Wassermasse in der letzteren eine Stromverstärkung, einen 
Stoss hervorbringen. 
Diesem Bilde entsprechen nun die Verhältnisse am Grunde des Luft- 
meeres über den Kontinenten durchaus; wir haben hier nicht nur eine unbeweg- 
liche Grundfläche, welche die Bewegung der benachbarten Luftmassen verlang- 
samt, sondern Höhenzüge, welche als mehr oder weniger vollständige Barren 
dem Luftwechsel in den Weg treten und eine direkte Wirkung der barometrischen 
Gradienten für die unterste Luftschicht theilweise unmöglich machen, In 
hügeligen Ländern haben wir deshalb in den Luftströmungen, so weit sie nicht 
überhaupt lokaler Natur sind, nur ein schwaches Abbild der allgemeinen Strö- 
mungen der Atmosphäre; dieses Abbild wird zwar, wenn die Unebenheiten des 
Bodens nicht gar zu bedeutend sind, in den Richtungen der Luftbewegung 
mit der darüber liegenden Luftschicht, aus der die unterste Schicht ihre Be- 
wegung erhält, annähernd übereinstimmen, in der Stärke der Bewegungen 
dagegen wird es in der Regel von der freien Atmosphäre weit abweichen. 
Dieses verschiedene Verhalten der Richtung und der Geschwindigkeit des Windes 
hat seinen ziffernmässigen Ausdruck in den wichtigen Arbeiten über die Mechanik 
der Luftströmungen von Guldberg‘ und Mohn gefunden, deren Formeln die 
theoretischen Verhältnisse zwischen Gradient, Reibung, Geschwindigkeit und 
Windrichtung geben. Wird nach diesen Formeln aus dem Winkel zwischen der 
Windrichtung und dem Gradienten die Reibungskonstante, und mit deren Hülfe 
die theoretische Windgeschwindigkeit berechnet, so erweist sich diese stets be- 
deutend grösser, also einem höheren Niveau entsprechend, als die von unseren 
Anemometern gemessene. | 
In denselben Verhältnissen findet auch wahrscheinlich das auffallende 
Faktum seine Erklärung, dass, während die Windrichtung an der‘ KErdober- 
fläche sich dem barischen Windgesetze fast ausnahmslos anpasst, bei dem Ver- 
hältniss zwischen Windstärke und Gradient die Regel durch die Ausnahmen 
beinahe verdeckt wird, 
1) Der betreffende Aufsatz wird demnächst in der „Zeitschrift der österreichischen Gesellschaft 
für Meteorologie“ erscheinen und der Gegenstand auch in diesen Annalen noch in anderer Form be- 
handelt werden, 
2%) In den lichtvollen Auseinandersetzungen von Herrn Prof. Zöppritz im VL Hefte der 
„Annalen“ von 1878 vermisse ich jede Erwähnung der Wirkung des Massenaustausches oder der 
vertikalen Cirkulation zwischen den Wasserschichten; es ist klar, dass das Eindringen des Oberflächen- 
antriebs in die Tiefe sehr beschleunigt und verstärkt werden muss, wenn Wassermengen von der 
Oberfläche in die Tiefe übergeführt und statt ihrer neue aus der Tiefe der Wirkung des. Windes 
ansgyesetzt werden.
	        
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