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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 7 (1879)

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Das Vorstehende nochmals kurz zusammenfassend, so würden auf die 
Strömungen der Jade also drei Ursachen modificirend einwirken: nämlich ‚die 
Bodengestaltung, der Wind und die differirende physikalische Konstitution des 
Ebbe- und Fluthwassers. Während auf Rechnung der ersteren beiden Ursachen 
namentlich viele der Unregelmässigkeiten entfallen, erklärt die letztere vorzugs- 
weise das verschiedene Verhalten der Ebbe einerseits und der Fluth anderer- 
seits im Zurückbleiben der unteren Schichten, im Vergleich mit der Oberfläche, 
und bedingt also einen Hauptunterschied zwischen den Strömungen in Flüssen 
und von Ebbe und Fluth. 
Es können diese gewonnenen Resultate als endgültige aber nicht an- 
gesehen werden, weil sie der nöthigen Nebenbeobachtungen entbehrten, vielmehr 
sind sie nur geeignet, zu zeigen, wie wichtig derartige Beobachtungen der 
Gezeitenströme sind und welche Nebenumstände dabei scharf ins Auge gefasst 
werden müssen. Neben der genauen Feststellung der Stromrichtungen und des 
specifischen Gewichtes der verschiedenen Wasserschichten, in welchen der Strom 
gemessen wird, kommt dabei vorzugsweise Eins in Betracht. Die angewandten 
Formeln gehen nämlich von der Voraussetzung aus, dass die grösste Wasser- 
bewegung an der Oberfläche stattfinde, weil die Theorie dies so verlangt. Es 
haben nun aber mehrfach die Beobachtungen ergeben, dass dies nicht ganz zu- 
trifft, dass vielmehr die grösste Bewegung in einiger Tiefe unter der Oberfläche 
und von hier aus. nach oben sowohl, wie nach unten eine Abnahme des Stromes 
stattfindet. Die hier zur Diskussion gezogenen Beobachtungen in der Jade 
scheinen ja auch anzudeuten, dass das mittlere Maximum der Geschwindigkeit 
irgendwo zwischen der Oberfläche und der Tiefe von 5m liegt. Die Erklärung 
dieser der Theorie zuwiderlaufenden Erscheinung ist mehrfach versucht worden, 
hat aber so wenig befriedigt, dass man die Theorie deshalb nicht abändern zu 
können vermeint hat. Es wird von Interesse und von Werth für die Art und 
Weise, wie die Strombeobachtungen ferner anzustellen sind, sein, wenn wir 
etwas näher auf die versuchten Erklärungen eingehen. 
Bisher ist allgemein angenommen worden, dass die Schwerkraft, welche 
eine Wassermasse auf abschüssigem Boden ins Gleiten bringt, allen Theilen der 
Masse den gleichen Impuls der Geschwindigkeit ertheile. Die dem Boden und 
den Uferwänden zunächst liegenden Wassertheile können in Folge der Reibung 
an ersterem aber dem Impuls nicht in gleichem Maasse Folge geben und über- 
ragen die Verlangsamung durch Kohäsionswirkung auf die nächstgelegenen 
Schichten u. s. w. Daraus muss nothwendigerweise eine vom Boden nach der 
Oberfläche und von den Ufern nach der Strommitte abnehmende Verlangsamung 
der Bewegung eintreten, so dass also das Wasser an der Oberfläche und in der 
Mitte des Stromes am raschesten fliesst. 
Dass einzelne Beobachtungen dies nicht als gauz richtig ergeben, wurde 
zunächst darauf zurückgeführt, dass die Reibung der Oberfläche des Wassers 
an der Luft dieses etwas zurückhalte (Ellet in Folge seiner 1850 auf dem 
Mississippi angestellten Beobachtungen, D’Aubuisson in „Traite d’Hydraulique“ 
ete.). Es wurde nun aber später, namentlich von Humphrey und Abbot 
(ebenfalls bei Mississippi-Beobachtungen) gefunden, dass das Wasser in mehreren 
Fällen: auch dann an der Oberfläche langsamer, als in einiger Tiefe floss, wenn 
ein Wind in der Richtung des Stromes, und zwar mit demselben, wehte, der 
der Geschwindigkeit des Stromes gleichkam oder sie noch übertraf, — Hier 
konnte also von Hemmung durch Adhäsion oder Reibung an der Atmosphäre 
nicht mehr die Rede sein. Boileau hatte in künstlichen Kanälen ein ganz 
gleiches Resultat erhalten. Er spricht sich dahin aus, „dass der Widerstand, 
welchen die Wasseroberfläche an der Atmosphäre fände, die Sache nicht erkläre, 
dass man vielmehr annehmen müsse, der Grund sei in der gegenseitigen Wirkung 
zwischen den Wasserpartikelchen und in der schiefen und rotatorischen Bewegung 
zu suchen, welche aus jener Wirkung resultire, indem diese schiefe Bewegungen, 
transversale lebendige Kräfte erzeugend, die Wirkung der lebendigen Kräfte 
der Vorwärtsbewegung, welche das hydrometrische‘ Instrument anzuzeigen 
geeignet ist, vermindern.“ 
Eine ausreichende Erklärung ist dies wohl nicht, weil nicht gesagt wird, 
warum diese Verhältnisse an der Oberfläche zu grösserer Wirkung gelangen, 
als etwas tiefer.
	        
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