Über die tägliche Ungleichheit in den Gezeiten
und eine Abhängigkeit derselben von der Geschwindigkeit der
Bewegung des Mondes in seiner Bahn,
Von Dr. C. Börgen.
Bei der Ableitung der in diesen Annalen 1879, S., 558 ffi, gegebenen
täglichen Ungleichheit aus den Beobachtungen in Wilhelmshaven waren zwei
Umstände dem Vf, sehr auffallend, weil dieselben mit der Theorie in Wider-
spruch zu stehen schienen, nämlich 1) dafs die tägliche Ungleichheit in Zeit
durchaus keine nachweisbare Abhängigkeit von der Kulminationszeit des Mondes,
sondern wesentlich nur eine solche von seiner Deklination, zeigte, während man
nach der gewöhnlichen Theorie erwarten sollte, dafs die Kulminationszeit des
Mondes für die Gröfse der täglichen Ungleichheit ebenso wesentlich sei, wie
die Deklination, und 2) dafs die tägliche Ungleichheit in Zeit für südliche
Deklinationen erheblich kleiner gefunden wurde als für nördliche. Die Ungleich-
heit in Höhe ließ sich mit der Theorie vollkommen in Einklang bringen.
Man könnte geneigt sein, dio Anzahl der Beobachtungen als zu gering
für diese Untersuchung anzusehen, und erwarten, dafs die Eigentümlichkeiten
bei gröfserem Materiale verschwinden würden, was auch unter Umständen, wie
wir sehen werden, der Fall sein wird. Da aber die benutzten Beobachtungen
von einem selbstregistrirenden Flutmesser abgelesen worden sind und als
durchaus zuverlässig gelten konnten, so waren die so bestimmt auftretenden
Eigentümlichkeiten nicht ohne weiteres als zufällig von der Hand zu weisen.
Es lag dann nahe, da eine Erklärung durch die Beschaffenheit der Beobachtungen
nicht wahrscheinolich war, die Theorie, welche zur Vergleichung benutzt worden
war, einer Revision zu unterwerfen, namentlich zu versuchen, ob nicht eine
vollkommenere Theorie andere Ausdrücke liefern werde, durch welche die in
Rede stehenden Eigentümlichkeiten ihre Erklärung finden würden. Von den
bisher aufgestellten Theorien ist die von Airy in seinem Werke „Tides and
waves“ entwickelte Theorie der Wasserwellen in ihrer Anwendung auf die
Gezeiten diejenige, welche sowohl in ihren allgemeinen Resultaten, als namentlich
in Anwendung auf die an Küsten und Flüssen beobachteten Fluterscheinungen
den gröfsten Erfolg gewährt, da es nur wenige Eigentümlichkeiten, die zur
Beobachtung gelangt sind, geben dürfte, welche nicht bei gehöriger Entwickelung
durch dieselbe erklärt und in ihrer allgemeinen Form auch mathematisch dar-
gestellt werden könnten.
Wir haben daher diese Theorie auf den vorliegenden Fall angewendet
und, wie zu erwarten, mit yvollkommenem Erfolg. Es hat sich nicht nur
eine Erklärung der in Rede etehenden Eigentümlichkeiten ergeben, sondern
die Untersuchung hat auch eine Thatsache ans Licht gebracht, welche, wie es
scheint, bisher übersehen worden ist, nämlich, dal die Größe der täglichen
Ungleichheit von der Geschwindigkeit der Bewegung des Mondes in seiner
Bahn abhängt. Die Resultate dieser, übrigens ganz elementaren, Untersuchung
sollen im Nachfolgenden dargestellt werden, wobei wir von den Ausdrücken,
welche Airy findet, als gegeben ausgehen.
Nach der Theorie von Gezeitenwellen in Kanälen wird die Erhebung des
Wassers über das mittlere Niveau gefunden durch folgende Ausdrücke:
Eintägige Flut = hı *= — Acos(1— m —w#+E)
Halbtägige Flut = ha = Bocos2 (1 — m: — x + F)
und die beobachtete
Ganze Flut = H = hı + hs:
YO
PS. TPZPaAF IP
A=Ta Va (5) sin 24? +2M1Sı (Do) sin 24 sin 201 cos (mı — sı) + Sı? (5) sin 201?
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B = LI Yan: (55) cos u2* ++ 2M2Sı (55) cosue? cos? cos 2 (m: — 82) + sr (E) cos mat