BC)
.... Vom Drehungspunkte M der Scheibe fälle man auf die absolute (gerad-
linige) Bahn des Körpers das Porpendikel a (Taf. I, Fig. 1), verzeichne vom
Fufspunkte aus auf der Geraden die Punkte O0, 1, 2, 3 ...., welche je um den
Werth v, der absoluten Geschwindigkeit von einander entfernt sind, und lasse
durch jeden derselben einen um den Drehungsmittelpunkt M beschriebenen
Kreis gehen.
Der. absoluten Bewegung des Körpers bis zu den Punkten 1, 2, 3....
entspricht eine Rotation .der Scheibe um einen Winkel w, 2w, 3w .....j um
nun diejenigen Punkte I, II, III ..... auf der Scheibe zu bestimmen, welche
1, 2, 3, ;. . Sekunden später als der Punkt 0 mit dem Körper in Berührung
kommen werden, mufßs man offenbar auf dem Kreise No. 1 um den Bogen ’)
wr;, auf.dem Kreise No. 2 um den Bogen 2wr, ete. von der Geraden aus
nach rückwärts gehen, der Bewegung der Scheibe entgegen. Die Punkte
DO, I, MI, II... ... markiren die relative Bahn des Körpers, und wir sehen,
dafs dieselbe aus oiner Kurve besteht, deren Krümmungsmittelpunkt auf der
rechten Seite des fortschreitenden Körpers gelegen ist; infolge der äufseren
Aeohnlichkeit dieser Bahn mit derjenigen der Lufttheilchen in einem barometrischen
Maximum sagen wir: die relative Bahn des Körpers hat eine anticyklonale
Krümmung. Offenbar spielt nun die so erhaltene Kurve für die relative Be-
wegung des Körpers genau dieselbe Rolle, wie die gerade Linie für die absolute
Bewegung; sie ist die Trägheitsbahn der relativen Bewegung auf der rotiren-
den Scheibe, Jede relative Bewegung, welche von derjenigen in dieser
Trägheitskurye verschieden ist, weicht, auch von der absoluten
geradlinigen Bewegung ab und kann daher nur unter dem Einflufs
äufserer Kräfte von Statten gehen.
; Eine Eigenthümlichkeit dieser Trägheitsbewegung fällt sogleich in die
Augen: der Körper entfernt sich allmählich immer mehr vom Drehungsmittel-
punkte M der Scheibe. Wesentlich einfacher gestaltet sich aber die Trägheits-
bewegung, wenn man die Scheibe ersetzt durch eine, in der Mitte etwas ver-
tiefte Fläche, durch eine solche nämlich, wie sie unter dem Einflusse einer
anziehenden, zur Scheibe überall senkrechten Kraft in einer, die Scheibe be-
deckenden und mit ihr rotirenden Flüssigkeitsmasse entstehen würde.?) Alsdann
wird der Körper durch eine Komponente jener anziehenden Kraft fortwährend
nach innen, zum Drehungsmittelpunkte gezogen, und die Trägheitskurve läuft
in. diesem Falle in sich zurück, sie reducirt sich auf die einfachste gekrümmte
Linie: den Kreis, und zwar wird dieser Kreis von dem Körper mit der-
jenigen konstanten (rclativen) Geschwindigkeit v durchlaufen,
welche ihm durch irgend einen Impuls zu Anfang der Bewegung
mitgetheilt wurde; die Konstruktion Fig. 1 kann benutzt werden, den
Radius @ dieses Kreises zu berechnen; ®) man findet:
v
=
Nun ist aber die Erdoberfläche eine solche Fläche, welche durch die
Rotation und durch den gleichzeitigen Einflufs der anziehenden Kraft der Erd-
masse entstanden ist und in ihrem tropfbarflüssigen Theile, dem Wasser, durch die
andauernde Rotation fortwährend in dieser Form erhalten wird. Die vorstehendo
Betrachtung ist daher auf denjenigen Theil der Erdoberfläche, welcher den
Nordpol unmittelbar umgiebt, ohne Weiteres anzuwenden; w bedeutet dann die
Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation, d. h. es ist
2x
® — 86162
indem eine ganze Erdrotation in 86164 Sekunden (ein Sterntag) ausgeführt wird.
Beiläufig sei bemerkt, dafs der Körper, unabhängig von der Gröfse seiner Ge-
schwindigkeit v, in 12 Stunden Sternzeit wieder zum Ausgangspunkte zurück-
‘) Die Längen 7,, 7 73 ‚.. sind die Abstände der Punkte 1, 2, 3 .... vom Drehungsmittel-
punkte; da die Winkelgeschwindigkeit w@ denjenigen Bogen bedeutet, welcher von einem Punkte in
1 Meter Abstand in einer Sekunde durchlaufen wird, so wird von einem Punkte im Abstande 7, der
Bogen wr, in 1 Sekunde, 2wr7, in 2 Sekunden zurückgelegt etc. etc,
2?) Bekanntlich ist diese Oberfläche ein Paraboloid.
& -) Man vergleiche hierüber: Sprung, die Trägheitskurven auf rotirenden Oberflächen; Zeit-
schrift der österreichischen Gesellschaft für Meteorologie, Januar 1880.