Die Patent-Lothmaschine von Sir William Thomson.
Es ist eine bekannte Thatsache, dafs sich mittelst des Handlothes nur
sehr geringe Tiefen während der Fahrt des Schiffes messen lassen, und zwar
um so geringere, je gröfser die Geschwindigkeit desselben ist. Um aber Tiefen
zu ermitteln, welche die Anwendung des Tieflotkes erfordern, ist man genöthigt
beizudrehen, ein Manöver, welches namentlich bei schwerem Wetter umständlich
ist und viele Kräfte -beansprucht. Wie viele Schiffsführer lassen aus diesen
Gründen Stunden vergehen, ohne Lothungen vorzunehmen, in Verhältnissen, wo
ihnen nur diese Aufschlufs über ihre Position gewähren und sie vor Gefahr
rechtzeitig warnen können. Dafs hierdurch manches Schiff, zumal in Gewässern,
in welchen starke Gezeitenströmungen stattfinden, verloren ging, ist leider eine
Thatsache. Es mufs daher ein Lothapparat, welcher es ermöglicht, bei jeder
Fahrt des Schiffes gröfsere Tiefen ohne viel Zeitverlust zu messen, der Navigirung
mehr Sicherheit verleihen und von grofsem Werthe für Konservirung von Gut
und Menschenleben sein. Ein solcher Apparat hätte den Bedingungen Genüge
zu leisten, daß sein Loth selbst während der schnellsten Fahrt des Schiffes
den Grund in denjenigen Meerestheilen zu erreichen vermag, in welchen die
Tiefe und Bodenbeschaffenheit überhaupt noch als Orientirungsmittel dienen,
und dafs er die Tiefe unabhängig von der Länge der abgelaufenen Lothleine
angiebt. Die erste Bedingung kann selbst durch die beste Lothleine nicht
erfüllt werden, weil jede Lothleine im Wasser einen nicht unbedeutenden
Reibungswiderstand erfährt, welcher das Fallen des Lothes beträchtlich ver-
zögert. Die zweite ist zwar durch Anwendung von Manometern erfüllt worden,
aber alle derartigen Instrumente erfahren mit der Zeit eine Veränderung der
Elasticität ihrer Theile und sind dann nicht mehr verläflslich. Nur in der von
Sir William Thomson erfundenen Lothmaschine wird beiden Forderungen
in genügender Weise entsprochen. An Stelle der Leine hat dieselbe Klavier-
draht, welcher seines geringen Umfanges und der glatten Oberfläche wegen nur
einen äufserst geringen Reibungswiderstand dem Fallen des Lothes entgegen-
setzt, aber wegen seiner Festigkeit ein verhältnifsmäfsig schweres Loth zu
tragen vermag. Die Registrirung der Tiefe wird auf eine einfache, aber sehr
sinnreiche Weise bewirkt. Statt eines Manometers komplicirter Konstruktion
dient eine oben hermetisch verschlossene Glasröhre, welche innen mit einem
Belag von chromsaurem Silber versehen ist. Durch den Druck des Wassers,
welcher bekanntlich nach bestimmten Gesetzen mit der Tiefe wächst, wird
Wasser in die Röhre geprefst und die in derselben befindliche Luft komprimirt,
Bis zu der Höhe aber, bis zu welcher das Seewasser in der Röhre steigt, ver-
wandelt sich die rothe Farbe des Belags in eine gelblich-weilse, und diese
Farbenänderung gestattet, den Grad der Kompression der Luft und mithin die
erreichte Tiefe genau zu messen.‘ Hierzu dient ein Mafsstab, welcher die von
dem Loth erreichte Tiefe direkt in Faden resp. Metern giebt. |
Die Versuche, welche bisher mit dieser Lothmaschine gemacht wurden,
sind fast ausnahmslos von sehr gutem Erfolge gewesen. So hat z.B. S.M.S.
„Bismarck“ Tiefen bis zu 204m bei 9 bis 10 Knoten Fahrt vor dem englischen
Kanal und anderwärts gemessen, welche genau mit den auf der Karte an-
gegebenen übereinstimmten, bis auf einzelne Fälle, worauf wir im Weiteren
zurückkommen,
Auch die von S. M. Schiffen „König Wilhelm“, „Friedrich Carl“, „Luise“,
„Grille“ und „Falke“ angestellten eingehenden Versuche sind, wenn sie nicht
während zu langsamer Fahrt und in sehr geringen Tiefen gemacht wurden,
günstig ausgefallen. Das Kommando des ersteren Schiffes berichtet über die
im Sommer 1878 angestellten Versuche Folgendes:
„Die Maschine wurde bei der Hin- und Rückreise in der Nordsee und
den Hoofden benutzt und damit während zwei Tagen selbstständig gelothet,
Die erzielten. Resultate waren durchaus günstige, und hat das Kommando da-
durch die Ueberzeugung gewonnen, dafs wir in der Thomson’schen Loth-
maschine ein Instrument bekommen haben, das von so ungemeinem Nutzen für
Ann. d. Hydr., 1880, Heft YI (Juni).