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_ Hieraus und aus der’ Betrachtung des nördlichen Schnittes folgt, dafs
der. warme Strom bei seinem Austreten aus: der Dänemark-Strafse
in das Eismeer noch kräftig genug ist, um in diesem weiter seinen
Lauf noch fortzusetzen; hiernach werden wohl alle früheren Theorien, wo-
nach die längs der Westküste von Island nordwärts.setzende Strömung nur als
ein Ersatzstrom für den südwärts laufenden: ostgrönländischen Eisstrom zu be-
trachten sei, mit welchem er sich schliefslich zurück nach Kap Farewell wende,
künftig als unhaltbar bezeichnet werden müssen... .‘
Untersuchen wir, ob und inwiefern an anderen Stellen im Meere ähnliche
Verhältnisse sich vorfinden, als in der Dänemark-Strafse, so werden wir zunächst
auf den sogenannten „Kalten Wall“ zwischen dem. kalten südwärts setzenden
Strom längs der Ostküste Nordamerika’s und dem warmen nördlich setzenden
Golfstrom hingewiesen.. In Fig. 5 ist der „Kalte Wall“ dargestellt, ‚wie-er sich
nach den nordamerikanischen Küstenvermessungen‘) in dem Schnitte bei Sandyhook
zeigt; ein Vergleich mit dem südlichen Schnitt in. der Dänemark-Stirafse (Fig..2)
zeigt in vielen Beziehungen sehr in die Augen fallende Analogien. In beiden
Schnitten laufen Ströme von höchst verschiedener Temperatur ganz dicht neben-
einander, so dafs in’den Grenzschichten sehr bedeutende Temperaturunter-
schiede stattfinden, ebenso taucht in beiden Schnitten der kalte Strom unter den
warmen unter. An der Oberfläche indessen sind die Verhältnisse in beiden
Schnitten geradezu entgegengesetzt. An der Ostküste Nordamerika’s fließst
nämlich das warme und . deshalb leichtere Wasser des Golfstromes über dem
kalten und deshalb dichteren Wasser des Polarstromes, woraus folgt, dafs die
Wasserwärme in allen Vertikalen von der Oberfläche bis zum Boden nach unten
hin abnimmt, nur ist diese Abnahme über dem ‚Polarstrom viel schneller
(No. 13) als über dem Golfstrom (No. 12); in der Dänemark-Straße flielst da-
gegen das kalte Wasser an der Oberfläche .über dem wärmeren, so dafs: die.
Wärme in den oberen Schichten nach unten zunimmt und erst von einer be-.
stimmten Tiefe an abzunehmen beginnt. .
Eine Erklärung dieser eigenthümlichen Erscheinung in der Dänemark-
Strafse, welche unseres Wissens bisher im Meere nicht beobachtet worden ist,
ist dennoch keinesweges schwierig.. Der Salzgehalt des Oberflächenwassers ist
nämlich in allen Vertikalen sorgfältig bestimmt worden; : die Ergebnisse. dieser
Untersuchungen sind für den Salzgehalt in Prozenten:
2. Mittlerer Schnitt, | 3. Nördlicher Schnitt.
Vertikale : Vertikale
No. 8 : 3,50 No. 15 :8,43- 4 5
- 97: 3,55 ;
10; 3,55
ut, 3A
Der warme Strom hat hiernach überall den vollen Salzgehalt des atlani-
tischen Wassers; sobald man sich aber der Eiskante nähert, nimmt der Salz-
gehalt des Wassers so stark‘ ab, dafs das kalte Wasser, ungeachtet seiner
niedrigen Temperatur, doch leichter‘ wird, als das wärmere, und sich über
dasselbe ausbreiten kann. Der Grund für den geringen Salzgehalt des kalten
Oberflächenwassers mul nun offenbar in dem Schmelzen des Eises gesucht
werden, welches sich allein auf die oberen Schichten beschränkt, während in
der Tiefe beide Ströme ungefähr denselben Salzgehalt haben; das kalte Wasser
ist hier überall das dichteste und vermag das warme Wasser zu verdrängen.?)
, Rep. of the Superintendent of the U, S. Coast-Survey. 1860,
2) In dem mittleren Schnitte (Fig, 3) hat das Oberflächenwasser in der Vertikale No. 10 eine
Temperatur von 8° und einen Salzgehalt von 3,55%09 bei einem specifischen Gewicht von 1,0286,
in der Vertikale No. 12 eine Temperatur von 1,5° bei einem Salzgehalt von 3,31%o9 und einem
specifischen Gewicht von 1,0271, das kältere Wasser ist also hier das leichtere. In Bezug auf die
Verhältnisse in .der ’Tiefe hat die zweite deutsche Nordpol- Expedition nachgewiesen, dals das
specifische Gewicht des in dem nördlichen Eismeer bis zum Boden reichenden Polarstromes sehr
schnell. nach unten zunimmt, und Mohn hat in demselben Meere so geringe Unterschiede des :Salz-
gehaltes in den tieferen Schichten des. kalten und des warmen Wassers gefunden, dafs man durch
die Temperatur das specifische Gewicht fast bestimmen konnte (s, „Die zweite deutsche Nordpolarfahrt -
in den Jahren 1869 und 1870 unter Führung des Kapt.: Koldewey“, 1874, Leipzig, Brockhaus,
„Die norwegische Nordmeer-Expedition von H. Mohn“, Geogr. Mitth. 1878). „"